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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

bringen könnten. Da ihm nun verschiedene Male in seinem Leben Dinge begegnet seyen, die er sich aus dem gewöhnlichen Laufe der Natur nicht habe erklären können, so sey er auf den Gedanken gekommen, daß Gott sich auch ihm auf diese Weise habe offenbaren wollen, und sollte dieß auch nicht der Fall gewesen seyn, so könne er sich doch nicht überzeugen, daß diese Dinge blos in seiner Einbildung beruht haben sollten. – Zugleich gestand er auf Befragen, er habe die Gewohnheit gehabt, bald heimlich, bald, wenn er allein gewesen, laut mit sich selbst zu sprechen und dazu Gesticulationen zu machen, oder wie er sich ausdrückte, allerhand bei sich auszufechten.


II. Im Besonderen:

Schon auf seinen Wanderungen habe er von reisenden Handwerksburschen allerhand nachtheilige Gerüchte über die Freimaurer gehört, unter anderm, daß sie durch heimliche Künste, zu denen sie nichts als eine Nadel brauchten, einen Menschen ums Leben bringen könnten. Er habe dieses damals nicht geglaubt, glaube es auch jetzt nicht mehr, allein er habe sich doch immer mit diesem Gedanken beschäftiget und sich allerhand Vorstellungen gemacht, woran sich wohl die Freimaurer unter einander erkennen möchten. Da habe ihm einmal geträumt: er sehe drei feurige Gesichter am Himmel, von denen das mittlere das größte gewesen. Er habe diese drei Gesichter auf die Dreieinigkeit bezogen und das mittlere auf Christus, weil diese die größte Person in der Gottheit sey. Zugleich habe er gedacht, daß in dieser Zahl auch das Geheimniß der Freimaurer liegen könne, das ihm auf diese Art offenbart werden solle, und habe sich eingebildet, daß das Aufheben dreier Finger das Freimaurerzeichen sey. Als ich ihn aufforderte, mir dieses Zeichen zu machen, verweigerte er solches anfänglich und versicherte, das habe er noch Niemanden gesagt. Als ich ihm aber zuredete, ergriff er mit dem Daumen, dem Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand meine Fingerspitzen und brachte nachher die genannten drei Finger seiner Hand in aufgehobener Stellung ungefähr so, wie es bei der militärischen Begrüßung gewöhnlich ist, an seine Stirne. Einst habe er in Stralsund einen Baugefangenen zum Verhör führen müssen, und als er während desselben an der Thür Wache gestanden, sey ihm eingefallen, dieses Zeichen zu machen, um zu sehen, ob wohl der Platzkommandant ein Freimaurer sey, jedoch ohne diesem die Hand zu geben. Dieser habe ihn scharf angesehen, ihm nachher ein Glas Wein einschenken lassen und zu ihm gesagt: Wenn man was wisse, müsse man’s hübsch sagen! Da er nun weiter nichts gewußt, habe er sich in den Kopf gesetzt, nun werde er schön ankommen. Nach einigen Tagen habe der Platzkommandant

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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_510.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)