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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

verständig betragen und alle Morgen aus einem, der Tochter der Naumannin gehörigen Buche gebetet hat. Er selbst sagt blos, daß es ihn auch hier verfolgt habe.

Um diese Zeit ist er auch noch in Warneckes Hause aus- und eingegangen, hat der dort wohnenden Woostin hinter der Thüre aufgelauert, und dabei öfters, meinend, es sey diese, eine andere Weibsperson, unter andern eines Abends die Frau des Lohnbedienten Marschall an der Hausthüre angehalten, als er aber seinen Irrthum bemerkt, gesagt: Ach verzeihen Sie, ich habe Sie verkannt, und sie nachher ruhig gehen lassen. An demselben Abend hat er der Woostin auf der Treppe aufgelauert, und auf ihre Weigerung, mit ihm spazieren zu gehen, sie mit der Hand, in der er die Scherben eines zerbrochnen Topfes gehabt, blutrünstig geschlagen, ist aber deßhalb von den dazu gekommenen Personen festgenommen und hierauf mit 8tägigem Arrest bestraft worden, bei welcher Gelegenheit an ihm keine Spur einer besondern Unruhe, Zerstreuung oder Gedankenlosigkeit wahrgenommen worden ist. Nach seiner Entlassung hat er sich bis vor Ostern 1821

9) bei dem Bierschenken Haase aufgehalten. Woyzeck sagt, sein Zustand habe hier fortgedauert, die Haasin aber: sein Betragen sey durchaus untadelhaft und still vor sich hin gewesen, er habe mit den übrigen Bettburschen in Frieden gelebt, und sogar einstmals, ob er gleich nur 16 Pf. gehabt, dennoch einen Armen wollen zu essen geben lassen. Zwar habe er ihr von seinen Träumen erzählt, namentlich, daß ihm von schwarzen Pferden geträumt habe, und daraus den Schluß gezogen, daß es ihm noch sehr unglücklich gehen werde; doch habe dieses auf seine Handlungen keinen Einfluß gehabt, und er sey so vernünftig gewesen, als ein anderer Mensch.

Ebenso versichert der Handarbeiter Schröder, welcher mit ihm bei Haasen im Quartier gelegen, und mit ihm in einer Kammer geschlafen hat, er habe sich jederzeit ruhig und ganz verständig betragen, nicht gezankt und gelästert; auch sey er des Nachts nicht unruhig gewesen und habe nie geklagt, daß er unruhig sey, oder daß ihm sonst etwas fehle.

Endlich hat er bis ungefähr zum 20. Mai 1821

10) bei der um diese Zeit verstorbenen Wittigin im schwarzen Brette eine Bettstelle gehabt. Er selbst versichert, daß er auch hier Stimmen vernommen habe. Dahin gehört seine Erzählung, daß es ihm, als er einen zerbrochenen Degen gekauft, zugerufen habe:
     Stich die Frau Woostin todt!
wobei er gedacht: Das thust du nicht, die Stimme aber erwidert habe:
     Du thust es doch.

Um dieselbe Zeit hat er die Woostin in der Allee von Bosens Garten, auf ihre Weigerung, mit ihm zu gehen, mit der Faust ins Gesicht geschlagen,

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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_501.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)