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Kreuze todt und ganz allein in tiefer Nacht gemalt. Viardot II. 210. v. Quandt, Reise in Spanien S. 97. A. Stolz, Spanisches S. 152. Eben so in Miniaturen. Waagen, Paris 381. Im Gebetbuch Kaiser Karls V. steht Maria ganz allein in tiefer Nacht beim Sohne am Kreuz. Rathgeber, Annalen 76. Das ist tiefsinniger und unendlich rührender, als auf andern Bildern die häufige Umgebung von Engeln, die den Eindruck der Einsamkeit des Todes stören. — Voll genialer Kühnheit ist der Gedanke, neben dem Heiland am Kreuze ganz allein den Teufel zu malen, der ihn verhöhnt, wähnend, er sey für immer todt. Im alten Stuttgarter Psalterium. Bibl.-Nr. 23. p. 102b. Daselbst, p. 27., wird Christus, der einsam am Kreuze hängt, oben von einem Einhorn, unten von einem Löwen feindlich bestürmt. Der Löwe erklärt sich aus Psalm 22, 14.

Zu Laupheim in Oberschwaben befindet sich ein Crucifix, von dem eine lange Kette ausgeht, welche die ganze Kirche umschliesst, gestiftet von einem Fuhrmann, der einer grossen Gefahr entging, aber mit allegorischer Anwendung auf die Gebundenheit der Kirche an das Crucifix. Auf einem sehr alten Elfenbeindeckel in Bamberg ist Christus am Kreuz dargestellt, links der Kriegsknecht, der ihn mit der Lanze in die Seite stösst, und dahinter eine weibliche Figur mit der Siegesfahne und einem Kelch, in dem sie das Blut auffängt, rechts hinter dem Evangelisten Johannes dieselbe Figur vor einer andern thronenden und gekrönten weiblichen Figur, der sie Geschenke darzureichen scheint. Die siegende und die triumphirende Kirche. Unter dem Kreuz windet sich der Höllendrache. E. Förster, Gesch. d. deutschen Kunst I. 63. Molanus, hist. imag. 401., erwähnt alter Bilder, auf denen neben dem Crucifix zur Rechten die jugendliche Allegorie der Kirche steht, die das aus Christi Seitenwunde strömende Blut im Kelch auffängt; zur Linken aber die Synagoge mit verbundenen Augen, gesenktem Kopf und herabfallender Krone. Dagegen widerspricht es dem menschlichen Gefühle, Mariens Mutterbrust dergestalt mit des Sohnes Seitenwunde

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_527.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)