Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 491.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der heilige Ambrosius starb am Charsonnabend, zwischen den beiden heiligen Tagen des Charfreitag und Ostersonntag. Nach der Legende ist er an seinem Todestage einer Menge seiner Anhänger, auch an den entferntesten Orten, zu gleicher Zeit in seinem erzbischöflichen Ornate erschienen, und unter andern auch einer Menge eben getaufter Kinder, die ihn allein sahen, während ihre noch von Sünde verdunkelten Eltern ihn nicht sehen konnten. Paulini, vita S. Ambros. c. 47. u. 48.

St. Augustinus ist unter den Kirchenvätern der grösste (wie Paulus unter den Aposteln), der feurigste an Geist, der beredteste und gelehrteste. — Wie Paulus, so war auch er in seiner Jugend auf Irrwegen, ein Manichäer, ein ausschweifender Mensch, Vater eines unehelichen Sohnes. Allein durch seine fromme Mutter Monica und durch den kraftvollen Erzbischof Ambrosius von Mailand, der ihn taufte, kam er auf andere Gedanken und gab sich mit glühender Seele dem Studium der göttlichen Dinge hin. In seinen Bekenntnissen entwirft er ein treues Bild seines Innern und der Zeit, in der er lebte. — Ueber das Geheimniss der Dreieinigkeit nachsinnend, sah er einen Knaben, der aus dem Meere mit einem kleinen Krüglein Wasser schöpfte, indem er sagte, er wolle es ausschöpfen. Augustinus lachte ihn aus. Da sagte der Knabe, indem er sich als Christus zu erkennen gab: Und du willst die Gottheit ergründen? Da erkannte er, dass das Wesen der Gottheit für den kleinen Menschenverstand unergründlich sey. Dies bezeichnet seine Mystik. Während vor ihm die griechische Kirche sich mit nichts beschäftigte, als mit dogmatischen Begriffsbestimmungen in Betreff der Dreieinigkeit, der einfachen oder doppelten Natur Christi etc., und das Wesen der Gottheit nach allen Richtungen mit dem menschlichen Verstande ausmessen wollte, brachte Augustinus in die abendländische Kirche jenen romantischen Zug mystischer Sehnsucht, die in tiefster Demuth zum Unendlichen aufblickt, jenen Zug, in dem alle Poesie und Heiligkeit des Mittelalters beruht. Nur durch ihn erhob sich die römische Kirche so glänzend über die griechische. Nur durch ihn

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_491.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)