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derselben auf, und sogleich wuchsen drei Lilien empor. – Es gibt Kirchenbilder, welche die Jungfräulichkeit Mariä ausschliesslich zum Gegenstande haben. Es ist eine thronende Maria, aber nicht die mütterliche mit dem Kinde, sondern eine jugendliche, mädchenhafte Gestalt ohne Kind, umgeben von Attributen der Jungfräulichkeit. Das schönste Bild dieser Gattung ist die siebente Tafel des berühmten Genter Altars von Hubert van Eyck. Maria sitzt hier im blauen Kleid und Mantel mit rothen Unterärmeln vor einem goldverzierten Hintergrund und liest in einem Buche. Ihre Haare wallen nach jungfräulicher Weise über ihre Schultern herab, auf dem Haupt aber trägt sie den jungfräulichen Kranz nach Art einer Krone, deren Juwelen aber aus Rosen, Lilien und Maiblümchen bestehen. Ihr Antlitz ist von hoher Schönheit und Unschuld und zugleich voll Geist. – Auf andern Kirchenbildern wird die Jungfräulichkeit Mariä durch das weisse Gewand derselben ausgedrückt. Auf einem Bilde des Giordano im Escurial ist der Triumph der Jungfrau dargestellt. Maria thront auf einem Wagen, den eine Menge Jungfrauen ziehen und begleiten. Ein Engel hält die Krone über ihrem Haupte. Umher kleine Engel, die in antik heidnischer Weise als kleine Eroten mit ihren Pfeilen auf die Jungfrauen zielen. Kunstblatt 1822, Nr. 64.

Die fünf klugen und fünf thörichten Jungfrauen (Matth. 25.) sollen, einer alten morgenländischen Sitte gemäss, in der Nacht mit Lampen dem Bräutigam entgegengehen. Rosenmüller, Morgenland V. 97. Er bleibt lange aus, die unklugen verlieren die Geduld, lassen die Lampen ausgehen und schlafen vor der verschlossenen Pforte ein, die klugen aber halten ihre Lampen im guten Stande und harren des Bräutigams, welcher endlich kommt, sie in sein Haus einführt und die Thüre hinter sich wieder verschliesst, somit die thörichten für immer ausschliesst. Unter den Jungfrauen sind ganz im Allgemeinen die Seelen verstanden, die im Diesseits ihr künftiges Heil bedenken oder nicht. In diesem Sinne wurden sie ehmals oft an den Kirchthüren

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_462.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)