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verzagte, gedachte ich an den Herrn und mein Gebet kam zu dir.“ Der Fisch spie ihn am Ufer aus.

Gerettet und gestärkt erfüllte Jonas nun des Herrn Gebot und predigte den Bewohnern Ninive’s den Zorn Gottes und dass er sie binnen vierzig Tagen vertilgen werde. Da thaten sie Busse und der Herr erbarmte sich ihrer und vertilgte sie nicht. Jonas aber wurde nun erst recht zornig, weil nicht geschah, was er doch prophezeiht hatte. Er setzte sich auf einen Berg gegenüber Ninive und wartete und wartete, ob die Stadt nicht endlich untergehen werde, wie der Herr verheissen. Ein Kürbis, der über seinem Haupte rankte, gab ihm dabei Schatten. Aber der Kürbis verdorrte in der Sonne und Ninive ging immer noch nicht unter. Da ergrimmte der kleine Prophet, der Herr aber sprach zu ihm: „Dich jammert der Kürbis und mich sollte nicht jammern der hunderttausend Menschen, die in Ninive wohnen?“

Der kurzsichtige Mensch kann von Gott nicht liebenswürdiger beschämt werden, als hier geschieht. Das Buch Jonas hat aber noch einen viel tiefern Sinn. Es soll nicht nur den Dünkel der Propheten beschämen, sondern auch dem jüdischen Volk eine grosse, wir möchten beinahe sagen schon völlig christliche Lehre geben; nämlich die Lehre, dass Gott nicht blos der jüdische Nationalgott, sondern der Vater aller Völker, und dass der Hass der Juden gegen andere Völker sündlich ist. Endlich wird dem Volke auch in dem gegen die Propheten ausgesprochenen Tadel der wahre Werth eines Propheten erklärt. Der Mensch im Propheten ist nichts, Gott in ihm ist Alles. Er kann nicht freiwillig das Prophetenamt erwählen, sagen: ich will ein Prophet seyn, oder: ich will es nicht seyn. Er muss seyn, was ihm der Herr befiehlt. Ist er aber Prophet, so kann er wieder nicht nach eignem Willen irgend etwas durchsetzen, sondern nur wie Gott es will. Hauptsächlich scheint es darauf abgesehen, die heidnischen Beschwörungstheorien der Magier dem Judenthum fernzuhalten. Die Heiden glaubten oder mochten glauben, sie könnten ihre Götter zu irgend etwas zwingen.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_453.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)