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meist nur rein jüdisch als einen sieghaften König ihres Volks dachten (wie sogar noch die Apostel thaten), so war doch gerade Jesaias von dieser engherzigen Vorstellung weit entfernt, gewiss so entfernt wie Paulus, welcher grosse Heidenapostel in Jesaias sein vollkommen entsprechendes alttestamentalisches Vorbild hat.

Von des Jesaias Tode bringt der jüdische Talmud (Mischna, tract. Jehamoth IV. und dazu die Commentation der Gemara) eine seltsame Fabel. Dem fliehenden Propheten nämlich öffnete sich auf sein Gebet eine Ceder und verschlang ihn und schloss sich hinter ihm wieder zu. Der König liess den Baum absägen und als die Säge an des Propheten Mund kam, starb er.

Jesaias wird nach byzantinischem Typus als Greis mit langem Barte dargestellt (Kunstbl. 1832, S. 10). Doch herrscht in seinem Charakter keineswegs das Greisenhafte, wie bei Jeremias, sondern mehr etwas Männliches vor. Michel Angelo malte ihn in der sixtinischen Kapelle mit grosser Kraft und eben so viel Bewusstseyn derselben im Ausdruck, Raphael wollte ihn in einer Freske zu S. Agostino in Rom nachahmen, fiel aber in's Affektirte (Kugler, Gesch. d. Mal. I. 241. Beschreibung von Rom III. 3. 312.).

Jesaias hat, wie alle andern Propheten, von denen Bücher vorhanden sind, eine Schriftrolle in der Hand. Ausserdem ist sein Attribut die Säge, weil er zersägt worden seyn soll. So auf byzantinischen Miniaturen in Paris (Waagen 213.). Mit dieser ist eine andere nicht zu verwechseln, die Waagen S. 223 und Didron, icon. 208. beschreiben, und auf welcher der Prophet, in sehr edler Gestalt in hellblauer Tunica und hellrother Toga, zwischen eine Frau im Sternengewande (die Nacht) und einen Knaben mit der Fackel (den Morgenstern) gestellt ist, weil es bei Jesaias einmal heisst: „Von Herzen begehre ich deiner des Nachts und wache Morgens mit dir auf.“ Noch besser aber bezieht man diese schönen Sinnbilder auf die Gesammtverheissung in dem Buche des Propheten. Auf allen Kirchenbildern, welche die Weissagungen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_443.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)