Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 411.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eben so viel Recht, den Satan als Obersten der Teufel darstellen. Dante hat dieses Centrum der Hölle im tiefsten Schwerpunkt der Erde gesucht. Hier liegt Satan gebunden durch den Engel Michael, bis die Zeit seines Freiwerdens und seines Reiches auf Erden kommen wird. Der Quäler ist selbst gequält.

Die Kammern der Hölle kommen auf den ältesten Bildern der griechischen Kirche nur in beschränkter Zahl vor, nach den wenigen Schriftstellen, die einen Unterschied zulassen, z. B. das Feuer, das Zähneklappern, der Wurm. Vgl. Didron, man. p. 472. In der lateinischen Kirche nahmen sich die Maler, hauptsächlich nach Dante’s Vorgang, mehr Freiheit, und seit der Reformation kamen völlig karrikirte und nur noch burleske Höllenbilder auf. Was in jenen früheren kirchlich naiv gewesen, wurde fortan absichtlicher und der Kirche durchaus fremder, ja feindseliger Witz.

Die Construction der Hölle, als eines tiefen Kerkers mit Stockwerken oder Terrassen, wie sie der grosse Dante ausgedacht hat, verdient aller Zeiten Bewunderung, kann aber kirchlich nicht befriedigen, weil zu viel Willkühr dabei ist und weil sich altheidnische Vorstellungen des Minotaur, der Kentauren, des Geryon, Charon etc. allzu colossal vordrängen. Dem Dichter Dante kommt der Maler Orcagna am nächsten, bleibt aber doch noch viel naiver. Auf Dante selbst wirkten ältere Visionen ein. Vgl. Ozanam, Dante S. 302 f., wo vieler solcher Visionen gedacht wird. Die berühmtesten sind die des Fursäus, des Alberich von Monte Cassino, des Ritter Tundal, des Owein, Brandanus, Philibert, des Deuthelm, des Walchhelm etc. Vgl. Schröckh, Kirchengesch. 20, 185 f. Görres, Mystik III. 91. 104. Kopisch zu Dante S. 468 f. Das altfranzösische Gedicht des Raul de Hondan in der hist. lit. de la France XVIII. 788. Eine merkwürdige Vision auch in Döplers Schauplatz der Strafen I. 651.

Tundals Vision war in Deutschland am bekanntesten, ehe Dante den gebildeten Kreisen vermittelt wurde. Tundal war ein Irländer und rauher Kriegsmann. Als er sich bekehrt

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_411.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)