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grimmiger Kälte aussann und alle möglichen Martern, die man lebendigen Geschöpfen anthun kann, in die Hölle verlegte. Sodann werden die Strafen nach der verschiedenen Art der Sünden abgemessen, so dass dem Verdammten, was er im Leben am meisten begehrte, in der Hölle versagt oder aber in einem unerträglichen Uebermass gewährt wird, indem z. B. der Schlemmer ewig hungern oder ewig in eckelhafter Nahrung wühlen muss. In beiden Beziehungen haben Dichter und Maler gewetteifert, alle Kammern und Höhlen der Hölle mit verschiedenartigen Sündern und deren Martern auszufüllen.

Die gewöhnlichste Art, die Hölle darzustellen, ist auf Kirchenbildern des Mittelalters der feuerspeiende Rachen eines drachenartigen Ungeheuers, der eine Anzahl Sünder in sich aufnimmt, darunter ganz gewöhnlich auch Mönche, einen Bischof oder einen Papst. Diese Symbolik bezieht sich theils auf den Wallfisch des Propheten Jonas, sofern der Aufenthalt im Wallfischbauch den im Grabe, im Reich des Todes, aber auch in der Hölle bedeutet, und die Drachenform anstatt der des Wallfisches noch deutlicher das Reich des Teufels anzeigt; theils auf die Wichtigkeit, die in der heiligen Schrift sonderlich den Pforten der Hölle beigelegt wird, nach Matth. 16, 8. Hiob 38, 17. Psalm 38, 10. Der Rachen des Thiers eignete sich am besten, diese Pforten darzustellen. Im Vorkommen der Mönche, Bischöfe und Päpste im Höllenrachen hat man fälschlich Satire finden wollen. Dergleichen Bilder stammen gerade aus der Zeit, in welcher die Kirche am mächtigsten war, und sind nicht gegen die Kirche gerichtet, sondern gehen von der Kirche selber aus, indem sie Jedem anschaulich machen, dass das geistliche Amt und die geistliche Weihe, selber die höchste, nicht vor Sünde und deren Strafen schützt. Die Freimüthigkeit in diesen Bildern gereicht der Kirche zur höchsten Ehre und hätte ihr nie zur Unehre gedeutet werden sollen.

Wird die Hölle als grösserer Raum aufgefasst, so gehört in ihren Mittelpunkt nach Sprichw. Sal. 7, 27. der Tod, „des Todes Kammer;“ statt dessen aber die Maler lieber, und mit

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_410.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)