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umgekehrten Verhältnissen. Henoch wird hier das Vorbild Christi, geht aber in den Himmel zurück, wie dieser aus dem Himmel auf die Erde niederkommt; und auf Henoch folgt erst das Verderben, aus welchem Christus erlöst.

In demselben Sinn steht Henoch dem Lucifer entgegen, wie denn die weibliche Form Anahid dem männlichen Namen Enoch ziemlich nahe verwandt scheint. Der Abendstern bedeutet den gefallenen Engel, der Morgenstern den zum Himmel erhobenen Menschen.

Mit Henoch ist auch zu vergleichen Annakos, ein fabelhafter König in Phrygien, der vor der Sündfluth gelebt haben soll, der einzige reine und tugendhafte Mann unter der gänzlich verwilderten antediluvianischen Menschheit, dem zu Liebe Gott die Strafe so lange verschob, dass Annakos dreihundert Jahre lang regieren konnte. Aber nach seinem Tode brach unaufhaltsam die Sündfluth herein. Nach Apollodor III. 12. 6. Diodor IV. 61. Stephan. Byzantinus. Buttmann, Mythologus I. 176, erkennt in ihm mit Recht den Henoch wieder. Bei Zenobius heisst er Nannakos.

Im apokryphischen Evangelium des Nicodemus, Cap. 25, rühmt Henoch, er und Elias, die beide lebendig zum Himmel gekommen, würden von da wieder zur Erde herabkommen, wenn das Weltende nahen würde, um mit dem Antichrist zu streiten. Die Juden fabeln, Henoch sey der grosse Engel Metatron geworden, von μετὰ θρόνον, der nächste am Throne. Vgl. auch Gfrörer, Kirchengesch. I. 119, dessen Jahrh. d. Heils I. 321. Eisenmenger II. 397. Die Muhamedaner haben wieder eine wunderschöne Legende. Henoch, der bei ihnen auch Idris heisst, war der erste Schneider, der erste Schreiber, der Erste, der die Waage erfand. Er that viel Gutes und predigte, obwohl vergeblich, den bösen Kainiten. Da sandte ihm Gott den Todesengel in schöner Jungfrauengestalt, um ihn zu prüfen. „Komm mit mir,“ sprach der Engel, „und hilf meine Schwester befreien, die ein Kainite entführt hat.“ Idris nahm sein Schwert und folgte dem Engel. Sie

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_384.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)