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in’s Angesicht sehen soll, so ist es doch nicht passend, die Kirchen mit henkermässigen Bildern zu erfüllen, am wenigsten, wenn es die Maler darauf anlegen, nur ihr genaues Studium der Anatomie bewundern zu lassen. Die blutige Malerei kam erst im 16ten und 17ten Jahrhundert in die Mode, als wahrer Ausdruck der damaligen Verwilderung. In den Zeiten ihrer unbestrittenen Herrschaft offenbarte sich in den Bildern der Kirche auch nur fromme Liebe und Demuth, nicht jene Blutgier und jenes Haschen nach grässlichen Effecten.


Gehorsam,

die Haupttugend im alten Testament, entsprechend dem hier vorherrschenden Gesetz, und am augenfälligsten erprobt in Abrahams Opfer; hier noch der Ersatz dessen, was im neuen Testament die freie Liebe thut. Aber auch für die christliche Liebe bleibt der mosaische Gehorsam stets die Grundlage, denn die Gerechtigkeit muss erfüllt werden. Indem Christus sich aus freier Liebe für die Menschheit opferte, war er zugleich eben so gehorsam gegen den Vater, wie Isaak. Oft wiederholt Christus, dass er nicht seinem, sondern des Vaters Willen diene. Der tiefste, opferbereiteste Gehorsam gegen den Vater ist aber das Geheimniss in der Gott gleichen Macht des Sohnes. Obedienti paret mundus. Damit ist auch die Wundergabe der Heiligen in ihrem tiefsten Grunde erkannt. Es sind immer die demüthigsten, einfältigsten Herzen, die, welche selbst am meisten gehorchen, denen hinwiederum gegen das gewöhnliche Gesetz der Natur die niedern Creaturen gehorchen.


Geissel,

Sinnbild der edlen Entrüstung, des mit Verachtung gepaarten Zornes. Der Schacher im Vorhof des Tempels war so etwas Gemeines, eine so schändliche Entweihung des Heiligthums, dass Christus selbst die Geissel ergriff, um die Verkäufer

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_320.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)