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Kinder nie verlässt; doch zugleich mit dem Ernst, der die überstandene Gefahr bezeichnet. So das berühmte Te Deum.

Regelmässiges tägliches Gebet ist insonderheit dem Priester vorgeschrieben, auch wo der Betende nichts Besonderes zu bitten oder zu danken hat, blos um die Seele stets mit Gott zu beschäftigen. Die priesterlichen Tageszeiten – die Nocturnen mit den Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Completorium – haben bestimmte Beziehung auf die Abstufungen der Passion. Vgl. Rippell, Alterth. d. Cärem. 487. Zur Prim ward Christus vor Pilatum geführt; zur Terz schrien die Juden ihr „Kreuzige!“; zur Sext ward Christus an’s Kreuz geschlagen; zur Non rief er aus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Zur Vesper ward er vom Kreuz abgenommen, zur Complet begraben.

Anmassend ist die Voraussetzung, dass Gott einen ausserordentlichen Werth auf die Gebete lege, dass ihm dadurch ein grosser Dienst geschehe und dass er gewissermassen mehr dabei gewinne, als der Betende selbst. Es heisst zwar sehr schön in einem altkatholischen Liede: „Wie das Wasser der Erde zum Himmel steigt, Wolke wird und als Wasser des Himmels zurückkommt, so werden unsere Gebete in himmlischen Trost verwandelt“ (Dei canamus gloriam, bei Zabuesnig II. 13.); es ist auch schön, wenn nach dem Talmud der Juden der Engel Achtaniel eigens dazu bestimmt ist, die Gebete der Menschen wie Rosen in Kränze zu flechten, oder wenn Gott selbst die Buchstaben des Gebets vergoldet und dem Betenden als Krone aufsetzt (Eisenmenger, entd. Judenthum II. 393.), oder wenn in der christlichen Legende Engel der betenden heiligen Rosalie die Worte als Rosen aus dem Munde nehmen und in Kränze flechten. Allein häufig ist der Glaube an die Kraft des Gebets zu anspruchsvoll. Das zeigt unter andern ein altitalienisches Miniaturbild (Waagen, Kunstw. in Paris 322.), welches Betende jedes Alters und Geschlechts darstellt, von deren Munde goldne Fäden in den Himmel gehen, aus welchem daneben alle die Geschenke

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_312.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)