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Ueberhängende Felsen, enge Felsenschluchten sind Sinnbilder der Todesgefahr, des Todes selber und des Grabes. Schon die Juden wählten das schauerliche Felsenthal Josaphat zum allgemeinen Kirchhof ihres Volkes, um die Schrecken des Todes anschaulicher zu machen. Das berühmte Kirchenlied: Media vita in morte sumus (Mitten wir im Leben seyn von dem Tod umfangen) dichtete Notker um das Jahr 900 beim Anblick eines gefährlichen Brückenbaues über den Martinstobel[WS 1], und in derselben furchtbaren Felskluft pflegte es das pilgernde Volk jährlich einmal zu singen. Auch wurde es ein sehr beliebter Schlachtgesang. v. Arx, Gesch. von St. Gallen I. 93. Zusätze S. 18. — Auf Kirchenbildern erblickt man zuweilen die heilige Jungfrau allein von dunklen Felsen umdrängt (la vièrge aux rochers), was so viel bedeutet, wie die Rose oder Lilie unter den Dornen, das concentrirteste Leben, das Süsseste und Heiligste, unter den Schrecken und Schatten des Todes.

Viele Heilige wurden von Felsen herabgestürzt. So der heilige Maximus, Saturninus, Serapion, Sylvanus etc. Vgl. die Register der Acta SS. und Döpler, Schauplatz d. Strafen II. 403.


Fenster.

Nur die gothischen sind symbolisch. Im Allgemeinen stellen die hohen farbigen Glasfenster den Gläubigen die Farbenpracht des himmlischen Jerusalems vor Augen. Oder das äussere Licht, welches in die Kirche fällt, muss durch die Glasmalereien hindurchgehen, um vermittelst der heiligen Gegenstände, welche sie enthalten, erst die Weihe zu empfangen. Das grösste Fenster ist immer im Chorschluss, um das Licht von Osten in reichster Fülle aufzunehmen.

Im Einzelnen gehört zur Symbolik der Fenster: 1) das Kreuz, sofern der steinerne Stab, der das breite Fenster theilt, mit zwei Armen oben ein Kreuz bildet; 2) das Kreuz im Kreise oder der Kreuznimbus, dargestellt durch die Fenster in der runden sogenannten Rosettenform; 3) der Stern,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: „Martistobel“
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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_280.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)