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und das somit verdunkelte Urbild der Weiblichkeit musste in der Jungfrau Maria hergestellt werden. Man bezieht daher den Engelgruss bei der Verkündigung Ave auf Eva. Insofern nun wurde Eva vorzugsweise nur zum Vorbild aller weiblichen Reize und Schwächen und wurde deshalb von jeher gerne mit einem gewissen Humor aufgefasst, unbeschadet des tiefen Ernstes, der in der Lehre vom Sündenfalle liegt. Maler und Dichter haben in feiner Charakteristik der Eva gewetteifert. Auf allen alten Kirchenbildern, welche die Erschaffung Eva's aus der Seite des schlafenden Adam darstellen, blickt sie mit betend erhobenen Händen zuerst auf Gott, nicht auf Adam. Nach einer muhamedanischen Legende frug Gott den Adam, ob er die Eva liebe? Adam antwortete laut mit Ja. Dann frug Gott die Eva, ob sie den Adam liebe? Aber sie antwortete nicht, sondern senkte die Augen und erröthete. Seitdem machen es alle Jungfrauen so. Rosenöl II. 292.

Die Bilder Eva’s zeigen häufig einen ungewöhnlich starken Haarwuchs, sey es, um ihre Blösse besser zu bedecken, sey es, um die Kraft der menschlichen Urmutter auszudrücken, die so vielen Generationen das Daseyn geben sollte. Der Typus ihrer Mienen ist nach stillschweigender Uebereinkunft aller Maler eine liebliche Naivetät, durchaus natürlich, mädchenhaft, ohne Heiligkeit, aber auch ohne List, nur leichtsinnig. Ihr Attribut ist der Apfel, nachher das Feigenblatt, endlich die Spindel (weil sie nach ihrer Verbannung aus dem Paradiese spinnen und Adam hacken muss). Theils wegen dieses (Woll-) Spinnens, theils auch in tieferer Beziehung auf das Lamm Gottes, das einst in ihrer Nachkommenschaft geboren werden soll, hat sie ein Lamm neben sich, wie Adam Aehren. Didron, icon. 100. Die Aehre bedeutet zugleich das Brodt, das Blut des Lammes den Wein im heiligen Abendmahle. In der Tragicomedia des Dr. Klein, die 1570 zu Esslingen aufgeführt wurde, trug Eva zum Kennzeichen ein Bäumchen mit Apfel und Schlange. Scheible, Schaltjahr II. 67.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_259.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)