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Angesicht Gott dienen, weil sie seinen Glanz nicht ertragen können. Es ist im Gegentheil der Engel Vorrecht, in der Nähe Dessen zu verweilen und Den anzuschauen, der sie sendet. Auch die Darstellung der Engel als unsichtbare Geister ohne Leib (Cyrillus, in Joannem 4, 10. Augustinus, de cognit. verae vitae 6.), oder als eines bewegten Windes, einer Flamme (Psalm 104, 4.), oder als reines Licht, weshalb sie Engel des Lichts heissen (2. Kor. 11, 14.), genügt für die christliche Kunst nicht, zumal da in der heiligen Schrift viele Engel als sichtbare Wesen in Menschengestalt auftreten. So oft aber die christliche Kunst Engel in Menschengestalt darstellt, soll sie dieselben sittsam ankleiden und dem entsprechend auch nur in züchtigen Geberden auffassen. Seit dem 16ten Jahrhundert haben viele und die berühmtesten Maler dies verabsäumt und die Engel nackt gebildet, theils als Kinder amorettenartig, theils auch in verführerischer Jünglings- und Jungfrauenschönheit. Damit hörte auch die fromme und demüthige Haltung auf und die Künstler gaben den Engeln üppige und verwegene Stellungen. Rubens malte die heilige Jungfrau mit dem Christkinde unter einer grossen Menge von Engeln, die als Kinder ungeflügelt, theils Knaben, theils Mädchen, lustige Gruppen bilden. Landon, annales V. 17. In Rom selbst erblickt man in dem Saale des Vatican, in welchem die Fusswaschung vorgenommen zu werden pflegt, etwa vierzig Engel, alle weiblich mit starker Brust. Blainville, Reise II. 337. Viel häufiger aber werden sie als schöne Jünglinge dargestellt. Ohne Zweifel ist es die Schönheit, die ihnen vor Allem ziemt, aber nicht gepaart mit irgend etwas Sinnlichem, viel eher mit der reinsten Jungfräulichkeit der Seele. Nur insofern kann die Gottesmutter ihre Königin seyn und können sie Vorbilder des Priesterthums werden. Wenn die ewige Jugend der Engel (Durandi, rationale off. I. 3. 8.) und ihre himmlische Schönheit auch verlangt, dass der christliche Künstler sie im jugendlichen Alter abbilde, so darf er doch kein Geschlecht in ihnen ausdrücken. Ganz eben so stellte die mittelalterliche Malerei die Seele der Verstorbenen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_246.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)