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Mosaikbildern der ältesten Kirchen ernst und in grossartiger Ruhe ausbildete. Kugler, Gesch. d. Malerei I. 17.

Den mehr menschlichen und leidenden Charakter tragen die Vesperbilder, welche sich sämmtlich auf das Schweisstuch der heiligen Veronica zurückführen lassen. Nach der Legende lieh diese Heilige dem Heiland bei der Kreuztragung ihr Tuch, um sich den Schweiss abzutrocknen, und der blutige Schweiss drückte sein Bildniss auf dem Tuche ab. Einige glauben, Veronica sey das fromme Weib gewesen, welches Christus früher vom Blutfluss geheilt hatte. Man findet alle Quellen dieser Legende beisammen in Grimms Abhandlung. Die Hauptsache bleibt, dass diese Veronicabilder erst der römischen, wie die Abgarusbilder der älteren griechischen Kirche angehören, und dass sie den Accent auf die menschliche und leidende Natur des Erlösers legen, während jene älteren Bilder mehr die göttliche Hoheit hervorheben. Der Gegensatz erhält seine genügende Erklärung, wenn man an die pantheistischen Ausschweifungen der griechischen Gnostiker denkt, die Christum in einen Aeon, Engel, reinen Geist oder in die Weltseele auflösten und ihm nichts Menschliches mehr liessen; wogegen die römische Kirche die menschliche Natur Christi nicht fest genug vertheidigen konnte. Hienach muss auch der sonst befremdlich scheinende Streit beurtheilt werden, der sich darüber erhob, ob Christus im Leben schön oder hässlich gewesen sey? Justinus, Tertullianus, Basilius, Clemens von Alexandrien, Cyrillus erklärten sich für die Hässlichkeit; Origenes, Hieronymus, Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus, Joh. Damascenus für die Schönheit. Vgl. Wessenberg, christl. Bilder I. 259 f. Die Erstern beriefen sich hauptsächlich auf Jesaias 52, 14, die Letztern auf Psalm 45, 3. Die Erstern, sofern sie die menschliche Natur in Christo aus guten Gründen vertheidigten, gingen nur zu weit, indem sie dieselbe in’s Hässliche karikiren zu müssen glaubten. Die Neutralen halfen sich dadurch, dass sie menschliche Darstellungen des Heilandes ganz vermieden und dafür Symbole, das Lamm, das Kreuz etc., setzten. Aber die Kirche gab einen weisen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)