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Psalm 80, 2. Oefters heisst es aber auch, Jehovah fuhr oder flog auf dem Cherub (wie sonst auf Adlersflügeln des Geistes). Jes. 37, 16. 2. Sam. 22, 11. Psalm 18, 11, wo es ausdrücklich heisst: „Er fuhr auf dem Cherub und schwebte auf den Fittigen des Windes,“ so dass der Sinn kein anderer seyn kann, als: er bewegte sich kraft seines Geistes durch den Raum. In allen diesen Bibelstellen ist von der eigentlichen Gestalt der Cherubim nicht die Rede, ausser dass ihnen Flügel und eine Hand zukommen. Wir müssen sie als Menschen mit Flügeln denken.

Bei Ezechiel 10. sind es vier Cherubim, die den Thron Gottes tragen, der aber zugleich als in der Luft daherrollender Wagen aufgefasst wird, weshalb jedem der vier Cherubim ein nach allen Seiten bewegliches Rad beigesellt wird. Es sind hier beide Bilder offenbar ineinander gedacht, so dass sie sich wechselseitig decken, der Thron mit den Cherubim und der Wagen mit den Rädern. Beide sind identisch. Ezechiel aber gibt jedem der vier Cherubim vier Gesichter, eines Cherubs, Menschen, Löwen und Adlers, und bezeichnet die Räder als ringsum voller Augen. Was das Cherubsgesicht sey, erhellt aus Ezechiel 1, 7, wo allen Cherubim Rinderfüsse zugeschrieben werden, und aus der Offenbarung Johannis 4, 7, wo die vier Gesichter wiederkehren, anstatt des Cherubsgesichts aber das Kalbs- oder Rindergesicht genannt wird neben dem Menschen-, Löwen- und Adlergesicht. Es kann mithin kein Zweifel seyn, dass den Cherubim Ezechiels die Stiergestalt vorzugsweise zukommt. Der Stier aber hatte bei den Juden eine gute Bedeutung, weil er den Ackerbau fördert, und wegen seiner Stärke, konnte mithin recht wohl eine dem höchsten Gott dienende, im Raume wirkende Kraft bedeuten, und ohne Anstand in die jüdische, wie christliche Vorstellungsweise aufgenommen werden, wenn sie auch Ezechiel ursprünglich von ägyptischen oder altpersischen Flügelgestalten entlehnt haben sollte. Ritter, Erdkunde VIII. 947. Schnaase, Gesch. der bildenden Künste I. 252. – Löwe und Adler sind Könige der Quadrupeden

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_172.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2018)