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Man brachte ihn vor den Richter, der ihn für wahnsinnig hielt und ihm spöttisch einen ungeheuren Stein, den hundert Männer nicht fortbewegen konnten, zum Brückenbau schenkte, wenn er ihn tragen könne. Der Knabe aber nahm den Stein, als ob es ein leichter Kiesel wäre, und trug ihn in den Fluss. Dieses Wunder verschaffte ihm Glauben. Alles steuerte bei und half am Brückenbau. Eine blinde Frau machte der Heilige auf der Brücke sehend; sie musste aber ein ganzes Jahr mit bauen helfen, denn so wie sie sich von der Brücke entfernte, wurde sie wieder blind. Nach sieben Jahren vollendete der heilige Jüngling die Brücke, starb selig und liess sich im dritten Pfeiler derselben begraben. Ueber seinem Grabe baute man eine schöne Kapelle. Die Kirche verehrt ihn am 14. April. Nach ihm bildete sich ein eigner Orden für Brückenbau in der Provence, die frères pontifes. Vgl. Helyot II. 335.

Seit dem 15ten Jahrhundert aber wird als der eigentliche Brückenheilige Johann von Nepomuk verehrt, den König Wenzel zu Prag in der Moldau ertränken liess, weil er das geistliche Beichtgeheimniss gewahrt und dem König nicht hatte verrathen wollen, was ihm die Königin gebeichtet hatte. Seine Statue steht in Böhmen und im ganzen östlichen Deutschland auf fast allen Brücken als deren Schutzwächter. Sein Haupt aber trägt einen Sternenkranz, was in einem lat. Hymnus lieblich gedeutet ist. Als der Heilige in der Nacht ertränkt worden und Alles still umher war, spiegelten sich die Sterne im Moldaufluss und hielten ihm die Parentation. Doch sollen die Sterne wie um seinen Leichnam, so auch schon um sein kindliches Haupt, als er geboren wurde, einen Kranz gebildet haben. Zabuesnig, kathol. Kirchengesänge I. 90.


Brunnen.

Ich unterscheide den gegrabenen Brunnen von der natürlichen Quelle. Der verschlossene Brunnen ist im Hohenliede 4, 13. ein Sinnbild der Jungfräulichkeit, welches auch öfter auf die Jungfrau Maria angewendet worden ist. Von dem

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_155.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)