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Am reichsten erscheint das Bild der Braut bei Ezechiel 16. ausgeführt, wo aber auch die untreue Braut der schrecklichste Vorwurf und Fluch trifft. Das Gegenbild dazu ist die wunderbar phantastische Vorstellung der Manichäer, der zufolge die Gläubigen sich auf Erden aller ehelichen Gemeinschaft und der Fortpflanzung enthalten sollen, um durch einen allgemeinen keuschen Selbstmord der Menschheit das Weltende zu beschleunigen, an welchem dann die erlöste Weltseele (Sophia - Achamoth), d. i. wieder die personificirte Gemeinde oder Kirche, endlich als Braut Christi die Hochzeit im Himmel feiern werde. Vgl. Baur, manich. Rel. 315. In gewissem Sinne ist auf ähnliche Weise die gesammte Gemeinde der Seligen, die erlöste Menschheit, in der Jungfrau Maria repräsentirt, als dem menschlichen und zugleich passiven Elemente, welches die Gottheit in sich aufnimmt.

Aber nicht blos die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, ist Braut Christi, sondern auch jede einzelne Seele hat sich in dieses Verhältniss zu setzen. Auch die männliche Seele nimmt den bräutlichen Charakter in dieser Beziehung an, vgl. einen Gesang des heiligen Franciscus bei Ozanam, die Franciscanerdichter S. 79. Insgemein sind es jedoch Jungfrauen, die sich Christo als Bräute widmen nach dem Vorbild der heiligen Syncletica, die zuerst den irdischen Bräutigam um des himmlischen willen verschmähte. Am berühmtesten wurde als Braut Christi Katharina von Siena, die auch unzähligemal in dem Moment gemalt wurde, in welchem ihr Christus den Brautring an den Finger steckt. Vergl. den Art. Katharina. Auch Rosa von Lima und Osanna empfingen den Ring von Christo. Desgleichen Johanna a Cruce, Katharina Riccia, Lucia, Maria Villana, Prudentiana, Stephana, Theresia, Ursula Bonicasa. Vgl. P. Abraham, Judas III. 138. Mit der blinden Liutgarde, auch mit Stephana Quinzani, tauschte einmal Christus das Herz. Ida von Löwen wurde von ihm aus der Hostie heraus gegrüsst. In einem dem heiligen Gregor zugeschriebenen Hymnus: Jesu corona virginum (Fabricii thes. 802) tritt der Bräutigam Jesus in einem Garten

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_149.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)