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Auch wilde Bären wurden von Heiligen leicht durch ein Wort gezähmt. Am Berühmtesten ist desfalls der Bär des heiligen Gallus. Der Heilige zog ihm einen Dorn aus dem Fusse und dafür zum Dank blieb der Bär bei ihm als sein Diener. Eben so diente ein Bär den heiligen Columban, Maximinus, Magnus, Remedius. Einer hütete dem heiligen Florentius die Schafe. Einen, der dem heiligen Frinnius seinen Ochsen gefressen, zwang dieser, statt des Ochsen nun selbst seinen Wagen zu ziehen. Aehnliches trug sich mit dem Pfluge des Jakob von Tarantaise zu. Eben so geschah St. Donatus und St. Basolus. Der heilige Corbinianus zwang einen Bären, der seinen Esel gefressen, selber das Gepäck zu tragen. Eben so der heilige Nicephorus, Humbert. Dem heiligen Gerius bot sich, als er nach Rom reiste, in den Alpen eine Bärin zum Wegweiser an (zum 25. Mai). Alle diese Bären sind ein Sinnbild des rohen heidnischen Volkes, welches von den christlichen Bekehrern allmählig gezähmt wurde. Vgl. Damberger, Mittelalter II. 497.

Der Bär hat aber auch teuflische Bedeutung, als grimmiges Raubthier. Unter den Thiergestalten, die man dem Teufel gibt, kommt öfters auch der Bär vor. So beim jüngsten Gericht, Didron, man. 271, als Plagegeist des Hiob in Miniaturen des Klosters Herzogenburg, die Primisser in Hormayrs Taschenbuch, 37r Jahrg. 306 beschrieb. Auch ist es ausser dem Löwen ein Bär, den David überwindet (1 Samuel 17, 34), und beide haben hier dämonische Bedeutung. Dieser Sieg Davids wurde früher oft dargestellt, z. B. auf den Chorstühlen zu Amiens, in Pariser Miniaturen. Piper, Myth. I. 401. Waagen, Paris 219. Auf einem Bischofstab, Mém. de la sec. des ant. de l’ Ouest 1842, p. 181. In einem Elfenbeinschnitzwerk, abgebildet auf Taf. 10 der Millin’schen Reise durch’s südliche Frankreich. In der Vision Daniels 7, 5 bedeutet der Bär das Perserreich, wie der Löwe das babylonische Reich, beide wieder im bösen Sinne. Auch in der Legende kommen Löwen und Bären vereint vor, indem ihnen St. Euphemia vorgeworfen, aber von den wilden Thieren geschont wird.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_103.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)