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die lebendig zum Himmel fuhren, eine Auszeichnung, die für Menschen zu hoch gegriffen erscheint und einen Ersatz erfordert in dem letzten Kampf und Leiden unter der Gewalt des Antichrist. Zuletzt wird er nach der Offenb. Joh. 20, 2. von einem Engel (Michael) tausend Jahre lang gebunden und nach 20, 10. in das ewige Feuer geworfen. Er ist also wohl mit Lucifer dem Wesen nach identisch. Es ist dieselbe Hoffahrt und Lügenhaftigkeit des Teufels, die sich im Antichrist dem Sohne, wie in Lucifer dem Vater entgegensetzt.

Der Begriff liegt so tief im Christenthum, dass man nicht zur Vorstellung eines jüdischen Antimessias zu greifen braucht. Auch Bileam, als Widersacher des Moses, ist nur ein dunkles Vorbild des Antichrist; wenn gleich man vielen Scharfsinn aufgewendet hat, die Zahl des Thieres (666) nach der Offenb. Joh. 13, 18. auf ihn zu deuten. Vgl. Züllich, Offenb. Joh. II. 247. Der talmudistischen Fabel vom Armillus lässt sich ein gewisser Tiefsinn nicht absprechen. In den letzten Zeiten, heisst es, wird zu Rom eine weibliche Statue von weissem Marmor stehen, so schön, dass alle Bösen sich in sie verlieben und Buhlerei an ihr versuchen werden. (Ihr Name soll Armillas seyn.) Da wird sie schwanger werden und einen gewaltigen Sohn gebären, genannt Armillus, ein Ungeheuer, zwölf Ellen lang und zwölf breit, mit goldenem Haar und feuerrothen Augen (das eine klein, das andere gross), ein Ohr verstopft, um es denen darzubieten, die Gutes reden, das andere offen, um es darzureichen, wenn Böses geredet wird; sein Leib mit doppelter Wirbelsäule, seine Arme so lang, dass sie bis auf die Füsse reichen (nach Andern soll ein Arm kurz, der andere lang seyn); die Fusssohlen aber grün. Dieses Ungeheuer wird alle Welt verführen und verlocken, das Reich der Bösen befestigen und den Messias bekämpfen; aber zuletzt wird Gott Schwefel vom Himmel regnen lassen und ihn mit all seinen Schaaren zu Asche verbrennen. Eisenmenger, entdecktes Judenthum II. 705 f. Vgl. Gfrörer, Kirchengesch. I. 145. Die gewaltige Marmorstatue scheint mir ein Sinnbild des verführerischen Sinnenzaubers

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_065.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)