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Den Martyrertod erlitt er durch Kreuzigung an einem schief gestellten, nach ihm Andreaskreuz genannten Holze X, welches daher sein Attribut ist. Auch wird er oft gemalt, wie er vor diesem Kreuze anbetend kniet, weil er nach der Legende sich freute, auf gleiche Art wie der Heiland zu sterben. Abdias, Apostelgesch. III. 40. 41. – Nach der legenda aurea 2. umgab den Heiligen vor dem Tode ein himmlischer Glanz, der erst mit seinem Leben abnahm und verschwand.

Mit dem Andreastage (30. November) beginnt die Adventzeit, der die Osterzeit gegenübersteht, beide ein Halbjahr des Kirchenjahres beginnend. Wenn nun in der ersten Jahreshälfte Alles vorbereitet wird, das Kreuz aufzurichten, das in der andern fest gegründet steht, so konnte das schiefe Kreuz des Apostels das Werdende bedeuten, wie das gerade das Seyn. Am Schlusse des Kirchenjahres ist das Evangelium des 27. Sonntags nach Trinitatis in der lutherischen Kirche die Parabel von den klugen und thörichten Jungfrauen, die in der hereinbrechenden Winternacht mit ihren Lampen gehen und auf den (im ersten Advent verkündeten) Bräutigam harren sollen. Vgl. Strauss, Kirchenjahr S. 383. Dadurch wird erklärt, warum der heilige Andreas im Volksglauben der alten Jungfern Patron geworden ist, die ihn am Abend seines Kalendertages um einen Mann bitten. Da in seinem Namen der Begriff des Mannes (ἀνὴρ) liegt, und wahrscheinlich in dieselbe Zeit des Winteranfangs vielerlei heidnischer Aberglaube fiel, so lässt sich begreifen, wie die sinnige Beziehung des Heiligen auf die zehn Jungfrauen des Evangeliums eine so weltliche und gemeine Anwendung finden konnte. In der Legende wird nur zart darauf angespielt. Die heilige Therese nämlich, die einst, als Gattin des Franz Velasquez, den heiligen Andreas dringend um Kinder angefleht hatte, aber von ihm auf ein Feld mit schneeweissen Blumen gewiesen ward, Sinnbilder der Nonnen oder geistlichen Töchter, die sie haben sollte, erbaute sofort das berühmte Nonnenkloster Alba de Tormes. Silbert, Legenden II. 233.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_060.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)