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mithin wie die andern Gestalten, die den Mönch quälen und versuchen, als böser Dämon aufgefasst wird. Didron, manuel p. 402. Auch der lat. Dichter Ausonius hat, indem er seinen „gekreuzigten Amor“ dichtete, das Dämonische, Schädliche, Teuflische in ihm hervorgehoben (wofür er ihn eben an’s Kreuz schlagen lässt), und die christliche Vorstellungsweise dürfte dabei wohl nicht ohne Einfluss auf ihn geblieben seyn. Giotto malte zu Assisi den Amor mit Bocksfüssen, wie er von der Busse weggegeisselt wird. Auf einem Bilde im vormaligen Mainzer Schloss Gaibach wurde Amor vom Teufel geholt. Blainville, Reise I. 197. Caravaggio malte die irdische und himmlische Liebe, beide als Eroten, den einen mit Geierflügeln, dämonisch wild, frech und alle Symbole der Macht, der Ehre, Kunst und Wissenschaft mit Füssen tretend, den andern mit Flammenschwert und Adlerflügeln. Kugler, Berliner Kunstkammer I. 137.

Zur Zeit der Renaissance kam mit vielem andern Heidnischen auch Amor wieder in die Kirche. Italienische Maler fingen an, in ihre Engel die kokette Schalkhaftigkeit des heidnischen Amors zu legen, worin französische Maler noch weiter gingen. Auf vielen Bildern der heiligen Theresia liegt die schöne Heilige in einer Ohnmacht des Entzückens da, während ein Engel lächelnd mit dem Pfeile nach ihr zielt, ein völlig heidnischer Amor. Auch das Christkind wurde nicht selten wie ein Amor aufgefasst.

Ernster und reiner erscheint die Vergleichung des Heilands mit Amor im Verhältniss zur Psyche. Schon der Heide Apulejus fasste die Psyche als menschliche Seele auf, die durch die Liebe (Amor) geläutert und nach harten Prüfungen belohnt wird. Das liess sich unbedenklich auf das Verhältniss der Seele zu Christus anwenden. Daher man die mit Schmetterlingsflügeln geschmückte Psyche neben Amor auch schon auf altchristlichen Sarkophagen findet, z. B. im Museum des Lateran in Rom (Kunstblatt 1844. S. 330.) und in der Peterskirche. Bunsen, Beschr. Roms II. 1. 192. Vgl. Piper, Myth. I. 214 f. Amor und Psyche küssen sich auf

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_057.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)