Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 054.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Physiologus in Hoffmanns Fundgruben I. 21. vergleicht die fünf klugen Jungfrauen, im Gegensatze gegen die fünf thörichten, mit Ameisen. Als der heilige Auxibius einmal als junger Schüler unter einem Baume schlief, setzten sich Ameisen im Kranz um sein Haupt, vorbildend nicht blos die Tonsur, sondern auch den Eifer und die tiefe Weisheit des künftigen Heiligen. Acta SS. 19. Februar.

Eine Sure des Koran führt den Titel: „Die Ameise.“ Unter andern wird im Koran Gottes Allmacht anschaulich gemacht an der Ameise, die Gott auch dann noch sieht, wenn sie, die selbst schwarze, auf einem schwarzen Steine in der schwärzesten Nacht sitzt. König Salomon hat viel mit den Ameisen zu thun. Sie halfen ihm nach muhamedanischer Legende die Stadt Tadmor bauen. Asiat. Rosengebüsch I. 189. Als Muster eines wohlgeordneten Staates erscheint der Ameisenstaat in Weils biblischen Legenden der Muhamedaner S. 238. Hier sind die Ameisen alle so gross wie Wölfe und haben eine Königin, welche Salomon auf einer seiner Reisen antrifft, und die ihn durch ihre grosse Bescheidenheit bei trefflicher Regierung so sehr beschämt, dass er erkennt, sein eigenes Reich sey weniger gut bestellt, wie das der Ameisen, obgleich er als der weiseste aller Könige gilt.

Ein merkwürdiges, bisher noch nie beachtetes Sinnbild ist der Ameisenlöwe, nicht das bekannte Thierchen dieses Namens, sondern der rein symbolische Myrmikoleon, dessen der physiologus Syrus, ed. Tychsen 12. gedenkt. Das ist ein vom Löwen mit der Ameise erzeugtes Thier, vorn Löwe, hinten Ameise. Der Löwe bedeutet die höchste Kraft der Sonne im Sommer (im Zeichen des Löwen), die Ameise dagegen wegen ihrer Farbe die Nacht und wegen ihrer unterirdischen Arbeit den Winter. Die wunderliche Composition des Ameisenlöwen scheint nun die Zeit zu bedeuten, in welcher sich Sommer und Winter unmittelbar berühren, d. h. die Tag- und Nachtgleiche im Herbste. Die Ameisen erscheinen auch bei Plinius, Naturg. XI. 30. und Joh. Lydus, de mens. ed. Röther 102. als Dienerinnen der Mond- und

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_054.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)