Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 033.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Verjüngung und Wiedergeburt. Im Psalm 103‚ 5. heisst es: „Lobe den Herrn, der deine Seele fröhlich macht und du wieder jung wirst, wie ein Adler.“ Bei Jesaias 40, 31: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.“ Dass der altgewordene Adler den zusammengewachsenen Schnabel an einem Felsen wieder abwetzt und in einem Jungbrunnen sich verjüngt, erzählt der physiologus 6. des heiligen Epiphanius, desgleichen phys. Syrus ed. Tychsen 14, der deutsche Physiol. in Graffs Diutiska III. 35. und in Hoffmanns Fundgrube I. 33., Vincenz von Beauvais, Conrad von Megenberg und fast alle Physiologen des Mittelalters, eben so der Titurel (übers. von San Marte 269.). Als Symbol der Auferstehung Christi kommt der Adler auf einem Bilde in der Kathedrale von Lyon höchst eigenthümlich vor. Der junge Adler nämlich fliegt einer Sonne entgegen, in deren drei Hauptstrahlen drei alte Adler sitzen, welche die Dreieinigkeit bedeuten. Twining, symbols pl. 23.

Ein uraltes heidnisches Sinnbild, der gegen die Schlange kämpfende Adler (das Licht von oben, das gegen die Nacht von unten kämpft), wurde auch in’s Christenthum aufgenommen. Der heilige Ambrosius (II. de Salomone 2.) vergleicht Christum, der seine Kirche gegen den Teufel schützt, mit einem Adler, der sein Nest gegen die Schlange vertheidigt. (Doch wird der Adler als Raubthier auch mehrmals in der Bibel selbst mit dem Teufel verglichen. Die Stellen sind gesammelt bei Aldrovandi, ornithol. I. 65.) Nach der Offenb. Joh. 12, 14. bekommt die Tochter Zion, nachdem ihr neugebornes Kind vor dem Drachen von Gott gerettet ist, selber Adlerflügel, um sich aufzuschwingen. In Bezug darauf malte Rubens die Jungfrau Maria mit Adlerflügeln, wie sie mit ihrem Kinde gen Himmel aufschwebt und zugleich der Schlange den Kopf zertritt (in der Münchner Pinakothek).

Eines der erhabensten Bilder ist das in Dante’s Paradies 18, 9, wo die Seelen der Seligen im Fluge sich zusammenschaaren und am Himmel die Figur eines ungeheuren Adlers

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_033.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2021)