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in einem Spiegel sein eigenes Bild erblickte, und sich (gleich dem Narcissus) so sehr darein verliebte, dass er ganz in dasselbe überging, und sein himmlisches Wesen mit dem irdischen vertauschte.

Die idealistische Auffassung, die in Christo einseitig die göttliche Natur hervorzuheben liebte, fiel nicht selten in die pantheistische Erklärung zurück. Der Satz: „Das Wort ist Fleisch geworden,“ wurde nicht blos auf die Menschwerdung des Logos gedeutet, sondern man rechtfertigte auch damit die Identificirung der ganzen Schöpfung und sichtbaren Welt mit Gott dem Sohne, indem man sagte, aus Gott dem Vater sey ausgegangen der Sohn, ursprünglich nur als Wort, das aber zu Fleisch, d. h. zu Materie, zur sicht- und greifbaren Welt geworden sey. Um sich den Ausgang der Schöpfung aus Gott und die Rückkehr in ihn zu erklären, meinte Scotus Erigena, die ursprüngliche Einheit im Schöpfer sey durch Adams, des ersten Geschöpfes, Sünde zur Vielheit entartet, und Christus habe kommen müssen, um den Adam, wie er vor der Sünde war, herzustellen, und dadurch auch die Vielheit wieder zur Einheit zurückzuführen. Baur, Dreienigkeit II. 324. Auch schon Johannes Damascenus, de fide orthod. III. 18. 241, behauptete, Christus habe als das Urbild Gottes das in Adam entstellte Ebenbild desselben erlösen müssen, und in diesem Sinne sey Christus nicht ein besonderes menschliches Individuum gewesen, sondern habe das Wesen der ganzen Menschheit an sich genommen, wie auch schon in Adam die ganze Menschheit concentrirt gewesen sey. Vgl. Dorner, die Person Christi S. 115.

Adam als Mikrokosmus, als kürzester Auszug der sichtbaren Natur, folgt aus obigen pantheistischen Vorstellungen. In der Kabbala erscheinen die Zonen des Raums als Glieder des Adam-Kadmon. So dachten die Inder sich die Welt den Gliedercomplex des Brahma; so die Skandinavier als den auseinander gefallenen Riesen Ymer. Die Herleitung des Staubes oder Thons, aus dem Adam geformt wurde, aus allen Elementen, als ein Auszug der ganzen Natur und Mikrokosmus

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_026.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)