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In derselben Kirche wird das Brodt in den Wein getaucht, nachdem man denselben mit warmem Wasser vermischt hat, und in einem Löffel gereicht, worüber Luther in den Tischreden spottete. Der Wein musste roth seyn, um dem Blute zu gleichen. Nur die mailändische Kirche zog den weissen, als den reinern, vor (weil der lombardische rothe Wein schwarz wie Dinte ist). Den Protestanten kam es nicht auf die Farbe an. Karl der Grosse verbot im capitulare de villis das Keltern mit den Füssen, weil der Wein zum Abendmahle gebraucht werde.

Dass in der katholischen Kirche den Laien der Kelch mit dem Genusse des Blutes entzogen und den Priestern vorbehalten wurde, hängt mit der Einführung der priesterlichen Ehelosigkeit zusammen. Wer durch den Kelch in den Blutadel Christi aufgenommen war, musste jeder irdischen Blutsverwandtschaft entsagen. Bei der Austheilung des Weins an das ganze Volk kam man überdies leicht in die Gefahr, kostbare Tropfen zu verschütten und dadurch zu entweihen. Uebrigens gehört die Entziehung des Laienkelchs nur der Disciplin und nicht dem Dogma an.

Die exaltirte Phantasie und das sophistische Raffinement der christlichen Sekten führte zu den abscheulichsten Formen der Abendmahlsfeier. Während die Aquarii, Ketzer des 3ten Jahrhunderts, ihren nüchternen Verstand dadurch beurkunden wollten, dass sie Wasser anstatt Wein in den Kelch füllten (Irenaeus, haeres. V. 1. 3.), und die Hydrotheitae dies thaten, weil sie das Wasser für die Gottheit hielten und sich durch diese Wasserkur mit ihr vereinigen wollten (Augustin. haer. 75. Binterim, Denkw. IV. 2. 63.), liessen dagegen die gnostischen Ophiten die Oblation von der Schlange belecken, die sie als ein Symbol der göttlichen Kraft verehrten. Die Montanisten feierten mit dem Abendmahle zugleich die Wahl ihres Oberpriesters auf eine entsetzliche Weise. Sie zerstachen nämlich ein einjähriges Kind mit Nadeln und mengten das ausfliessende Blut mit Asche, woraus sie das heilige Brodt bucken. Starb das Kind, so verehrte man es als Martyrer; blieb es am Leben,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)