Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 342.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

entsprechende Personificationen der Naturreiche dachte. Dies war bekanntlich die Lehre der Griechen. Da ist zuerst Uranus der Himmel und Gae die Erde. Die zeugen miteinander den Chronos, die Zeit. Diese zeugt den Zeus (Aether), die Here (Luft), den Poseidon (Meer) etc. Aus andern Zeugungen gehen dann auch die Götter von mehr moralischer Bedeutung hervor. Ueberall entsteht hier die ganze Natur in einer immerwährenden Weiterzeugung; von einem alleinigen Gott, der Alles aus Nichts macht, ist nicht die Rede, noch weniger von einem liebenden Vater. Denn der Mensch selbst wird nach dieser Lehre nur verstohlen und wider Willen des herrschenden Gottes Zeus von dem untergeordneten Titanen Prometheus geschaffen, Zeus ärgert sich darüber, straft den Titanen dafür, und stellt sich zu dem Menschen in ein ironisches und durchweg gemüthloses Verhältniss.

Der Dualismus, der sich am entschiedensten in Persien aussprach, nahm eine durchgängige Zweiheit in der Gottheit wie in der Welt an. Die gute Hälfte Gottes, Ormuzd, schuf auch die gute Welthälfte, die böse, Ahriman, die böse. Hier heisst es also nicht, wie in der Genesis, Alles, was Gott gemacht hatte, war gut; sondern das Gute war von Anfang an mit Bösem verschmolzen, und der Teufel erhielt schon bei der Schöpfung gleiches Recht mit Gott.

Ferner gefielen sich die heidnischen Systeme des Orients in einem ausserordentlichen Luxus der Zeit- und Raumbestimmungen. Sie nahmen eine Menge Welten und Weltgeschichten vor der unsern an. Vielmal war die Welt schon untergegangen und eine neue an ihre Stelle getreten, ehe die unsere an die Reihe kam. Dieser Erstreckung der Zeit entsprach auch eine des Raumes. Man thürmte über unserer Erde eine Menge Himmel als Wohnsitze höherer Geister oder untergeordneter Götter auf. Von allem diesem Luxus weiss unsere Genesis nichts. Sie beginnt mit dem ersten Tag auf Erden und kennt vor ihm nichts, und sie beschreibt die Erde, über der sich der Himmel wie ein Zelt ausdehnt, ohne in die Tiefe der Vorwelt irgend eindringen zu wollen.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_342.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2022)