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dreissig weitere Jahre speisten ihn die Engel. In sechzig Jahren sah er Niemanden, als den heiligen Paphnutius, der ihn kurz vor seinem Tode fand und nachher begrub. 2. Juni (im 4ten Jahrhundert). Herder hat die Legende in Verse gebracht (zur schönen Lit. VI. 41.), aber mit einer höchst unpoetischen, platt rationalistischen Wendung, indem er den greisen Einsiedler zu Paphnutius sagen lässt: „Eile hinweg, Menschen sind geschaffen nur für Menschen!“ Schöner ist der Schlussgedanke des Gedichts. Tasso sollte mit dem Lorbeer auf dem Capitol als Dichter gekrönt werden, starb aber zuvor im Kloster St. Onufrio, in dessen Garten eine berühmte alte Palme wuchs, und die Palme des Heiligen gewährte ihm mehr, als der Lorbeer Apollo’s.

Ein berühmtes Bild des haarigen Einsiedlers, wie ein Engel ihn speist, malte Schäufelein in Annaberg. Kunstbl. 1831. S. 235. Waagen, Deutschland I. 196. Andere Bilder von Dürer s. von Rettberg, Nürnberger Briefe S. 159, von Muziano, gest. von Cort.

Auf Münzen und Siegeln findet man oft Bischöfe, Aebte, Aebtissinnen mit Palmen in den Händen, wo an ein Martyrium nicht entfernt gedacht werden kann. Papebroch glaubte daher, die Palme bezeuge wenigstens eine entfernte Theilnahme ihrer Träger an den Kreuzzügen, durch Geldbeiträge etc. Allein Reuter hat in seiner Abhandlung über diese Art von Palmzweigen (Nürnberg 1802) nachgewiesen, dass die Palmen auch auf Münzen und Siegeln von weltlichen Herren, Kaisern und Königen, getragen werden und nichts anderes als ein Sinnbild weltlicher Gerichtsbarkeit und Regierung sind. Schon Hergot in seiner geneal. diplom. Habsburg. I. 100. identificirt in dieser Beziehung die Palme mit dem baculus und der virga potestatis. Da inzwischen in der älteren Symbolik jede Abweichung ihr besonderes Motiv hat, so dürfte immer noch zu ermitteln übrig bleiben, ob nicht die Palme, wenn auch immer ein Sinnbild der Gerichtsbarkeit oder Regierung, wie die Ruthe oder der Scepter,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_185.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)