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276 J. E. Wocel. Die Kirche d. ehem. Cistercienser Nonnenklosters Porta coeli.


denselben wird durch den opferwilligen Eifer, mit dem jetzt häufig die stylgemässe Restaurirung solcher Denkmale vorgenommen wird, bethätigt.

Einen Beweis davon gibt die in der Ausführung begriffene Herstellung des Kreuzganges und Capitelsaales zu Tišnowic. Das Hinleiten der allgemeinen Aufmerksamkeit auf den Werth und die Bedeutung solcher Kunstreste ist allerdings die nothwendige Bedingung ihrer Erhaltung und zweckmässigen Herstellung. Es ist überhaupt ungerecht, den Besitzern und Patronaten alterthümlicher Baudenkmale die Zerstörung, Verwüstung und die Fehlgriffe in der Restaurirung derselben allein imputiren zu wollen. Der Werth eines Kunstdenkmals ist ja in der Meinung der Zeitgenossen von dem Urtheile abhängig, das die vorwaltende Kunstansicht und die Wissenschaft über dieselben festgestellt hat. Seit jener Zeit, wo die Kunst sich fast ausschliessend der Antike zugewendet und ihr Heil allein in der Nachahmung antiker Form gesucht, und wo die Literatur ihren Schwerpunkt in den Schriften der Griechen und Römer gefunden, war der Sinn für das Verständniss und die Bedeutung der christlichen Kunstdenk­male des Mittelalters den Gebildeten abhanden gekommen; unmöglich konnte man also dem grösseren Publicum zumuthen, dass es von der durch die Autorität der Kunst und Literatur festgesetzten Norm abweichen und einen entgegengesetzten Weg einschlagen solle. Dazu kam, dass die Culturhistoriker sich bis in die neueste Zeit mit den schriftlichen Culturdenkmalen des Mittelalters zumeist begnügten und auf die vorhandenen monumentalen Zeugen der Vergangenheit keine Rücksicht nahmen. Eine altdeutsche oder altböhmische Dichtung, deren Vorwurf z. B. die Porta coeli gewesen, wäre gewiss als ein hochwichtiger literarischer Fund von Sprachforschern und Historikern mit Jubel begrüsst worden, die doch an dem herrlichen Kunstwerke selbst kalt und theilnahmslos vorübergingen. Und doch ist das Portal zu Tišnowic mit seinem Bildwerke im Tympanon ein deutungsvolles historisches Monument, eine gleichzeitige Urkunde in Stein, die uns die Gestalten der Gründer des Gotteshauses in ihrer frommen demuthsvollen Hingebung unmittelbar vor die Augen rückt. Und rings um die Stifter und den thronenden Erlöser breitet sich, die Gliederung des Portals gleich einer Glorie überstrahlend, das prachtvolle Schmuckwerk aus, eine in kräftigen Zügen auf Marmor hingezeichnete Dichtung. Ja, erwägt man, dass im schöpferischen Geiste des Künstlers die Idee des Portalornamentes emporblühen, mit ihren reichen Details von der Phantasie aufgefasst und vorgebildet werden musste, ehe derselbe mit kunstgeübter Hand das für jene Zeit bewundernswerthe Werk auf Pergament hinzeichnen und sodann in harten Stein ausführen konnte: so wird man den Sculpturen der Porta coeli jenen Werth und jene Berechtigung nicht absprechen, die man einer vom Strahle echter Poesie durchdrungenen Dichtung zugesteht.