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Als ich nun, in Folge der von mir bearbeiteten neuen Ausgabe der Fernow’schen Lebensbeschreibung von Carstens (Hannover, 1867), mit dem Kupferstecher Wilhelm Müller in Weimar, welcher eine Anzahl Carstens’scher Werke in Umriss gestochen hatte, in Beziehung gekommen war und Herr Alphons Dürr in Leipzig sich entschlossen hatte, die Müller’schen Platten zu erwerben, wurde alsobald der Gedanke einer Weiterführung dieser Unternehmung angeregt, und dabei natürlich auch an die Koch’schen Stiche der Argonauten gedacht. Um zu erfahren, ob und wo etwa diese Platten noch vorhanden seien, wandte ich mich an Koch’s Schwiegersohn, den Maler Mich. Wittmer in Rom, der mir auch unterm 3. Februar 1869 eine bezügliche Auskunft gab, aus welcher, in Verbindung mit weiteren Nachrichten, Folgendes hervorging.

Um das Jahr 1860 hatte die Familie Piroli die 25 Platten an den Buchhändler Joseph Spithöver in Rom verkauft, welcher auf dem Titelblatte an Stelle der Piroli’schen Adresse die seinige: „à Rome chez Joseph Spithöver, place d’Espagne“ hatte einstechen lassen, ohne Zweifel um das Werk in Neudrucken herauszugeben. Diese Ausgabe unterblieb jedoch, vermuthlich weil inzwischen bei einem Umzuge 13 Platten, und zwar die Nummern 12 bis 24, abhanden gekommen, angeblich gestohlen worden waren. Die noch vorhandenen 12 Platten, den Titel und die Nummern 1 bis 11, erwarb Herr A. Dürr im Frühjahre 1871 von Joseph Spithöver, und es entstand nun die Frage, ob diese 12 Platten zu einer neuen Ausgabe des Argonautenwerkes verwandt und in welcher Weise die fehlenden 13 Tafeln hergestellt werden sollten?

Anfangs bestand die Absicht, die fehlenden Platten nach Koch’s Radirungen neu stechen und das Werk danach also unter möglichst vollständiger Wahrung von Koch’s Antheil neu erscheinen zu lassen. Als ich aber im Sommer 1872 zu Kopenhagen die nicht lange zuvor von der k. Kupferstich-Sammlung daselbst erworbenen Originalzeichnungen gesehen hatte, erschien es mir nicht richtig, wenn einmal 13 Platten neu gestochen werden sollten, dazu die Koch’schen Radirungen und nicht die Carstens’schen Originale als Vorlagen zu verwenden. Ja, es wurde auch erwogen, ob nicht die gesammten 24 Tafeln nach den Originalzeichnungen vollkommen neu hergestellt werden sollten. Diesem Stande der Sache giebt die Vorrede zum zweiten Bande des Carstens’schen Kupferwerkes, vom 31. Mai 1873, Ausdruck, indem ich dort Folgendes berichtete: „Wir hoffen, entweder die 13[1] fehlenden Platten oder die gesammten 24 Blätter nach den Originalen neu stechen lassen zu können, in jedem Falle aber auch die Argonautica den Kunstfreunden zugänglich zu machen, und durch sie, als einen dritten Band, diese Ausgabe der Carstens’schen Werke abzuschliessen.“ Diese hier ausgesprochene Verwendung der Originale begegnete aber mancherlei Hindernissen, unter denen die anzulegenden bedeutenderen Geldmittel nicht die geringsten waren. Doch wurde immerhin die Absicht noch mehrere Jahre festgehalten. Inzwischen hatte der Photograph Budtz-Müller in Kopenhagen, in meinem Auftrage, für Herrn A. Dürr Photographien der Originalzeichnungen angefertigt, die geeigneten Falles für die geplante Stecherarbeit, ganz oder theilweise, verwandt werden sollten. Da er jedoch auch diese Photographien anderweitig in den Handel brachte, zog Herr Dürr vor, den Erfolg hiervon abzuwarten, ehe er weitere bestimmte Entschliessungen fassen wollte[2]. Jetzt nun aber hatten sich die Verhältnisse insofern sehr geändert, als die vervollkommneten Verfahren des Lichtdrucks eine leichte und nicht zu kostspielige Vervielfältigung der 13 Koch’schen Blätter, deren Platten nicht mehr vorhanden waren, gestatteten. So wurde denn beschlossen, die Koch’schen Platten No. 1 bis 11 neu zu drucken, die No. 12 bis 24 in Lichtdrucken nach dem erwähnten Exemplar der ersten Ausgabe der Koch’schen Radirungen in meinem Besitze anzufertigen und das Carstens’sche Bildniss der alten Titelplatte, mit Hinweglassung der Schrift, als besonderes Titelkupfer, wie bereits erwähnt, zu geben. So hergestellt liegt der „Argonautenzug“ nun hier als dritter Band des Carstens’schen Kupferwerkes vor.

Es ist von jeher erkannt worden, dass die Koch’schen Radirungen die Originalzeichnungen von Carstens nicht völlig erreichen. Schon Fernow nannte dieselben in diesem Sinne „nicht glücklich“[3]. Und F. von Alten, der Erste welcher die Stiche mit den damals noch im Moltke’schen Besitze befindlichen Originalzeichnungen verglich, erklärte sogar, dass die Koch’schen Radirungen die Originale an Geist, Sauberkeit und Schärfe des Umrisses bei weitem nicht erreichen[4]. Mir selbst erschienen dieselben „gegen die zarten,


  1. Infolge eines Versehens hiess es in Wirklichkeit 12.
  2. Die Photographien erschienen 1876 bei Adolf Gutbier in Dresden unter dem Titel: „Der Argonautenzug von Asmus Jakob Carstens. 24 Blatt nach den Originalzeichnungen in der k. Kupferstichsammlung zu Kopenhagen photographirt von Budtz-Müller in Kopenhagen. Mit erläuterndem Text von Herman Riegel“. Das Exemplar kostete 100 Mark und es wurden bisher deren 8 verkauft. Der kurze, eine Blattseite umfassende Text, den ich auf Wunsch des Herrn Gutbier schrieb, giebt näheren Aufschluss über den Anlass zur Entstehung dieser Photographien und er wahrte damit zugleich den Raum für die Dürr’sche Stichausgabe.
  3. In meiner Ausgabe des Fernow, S. 147.
  4. Versuch eines Verzeichnisses der Werke und Entwürfe von A. J. Carstens. (Oldenburg, 1866). S. 43. – Die betreffende Stelle ist auch in meiner Ausgabe des Fernow, S. 383, abgedruckt.
Empfohlene Zitierweise:
Herman Riegel (Hrsg.): Carstens Werke. Dritter Band: Der Argonautenzug. Alphons Dürr, Leipzig 1884, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carstens_Werke_3._Band_Argonautenzug.pdf/10&oldid=- (Version vom 14.2.2021)