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rechts wurde nach dem Abbruche des frei vor der Schössergasse auf dem Markte stehenden alten Rathhauses von 1707 bis 1709 einstweilen als Rathhaus benutzt. Das davor stehende kleine Portechaisenhaus, 1746 erbaut, ist 1878 abgebrochen worden. Am Ende der Seegasse zeigt sich das seit 1550 vermauert gewesene, seit 1747 wieder eröffnete Seethor, damals das Neue Thor genannt. Auf der Westseite des Marktes, der rechten des Bildes, ist das von 1741 bis 1744 erbaute, mit einem Thürmchen geschmückte neue Rathhaus hervorzuheben; die davor lagernden Waarenballen deuten auf die im Erdgeschoss untergebrachte Rathswaage hin. Zahlreiche Sturmfässer sind an verschiedenen Stellen des Marktes aufgestellt. Die an den meisten Häusern über dem Erdgeschoss angebrachten kleinen Dächer dienten zum Schutze für die aussen vor den Verkaufslokalen ausgelegten Waaren. (Oelgemälde Nr. 614 in der Königlichen Galerie.)




X.
Der Altmarkt

von der Seestrasse her aufgenommen 1752. Das erste Haus links, in dem sich, nach der davor stehenden Schildwache zu urtheilen, die Wohnung eines hohen Offiziers befand, ist das später dem Buchhändler Arnold gehörige. Daran grenzt das alte Gasthaus „zum goldnen Ringe“, bis 1872 Hotel de l’Europe, wo im Jahre 1711 der Zar Peter der Grosse zweimal Wohnung genommen hatte. Der Blick in die Schlossstrasse zeigt an deren Ende einen Theil des Schlosses, überragt vom Thurme der katholischen Hofkirche. Das Eckhaus an der Schlossstrasse war im 16. und 17. Jahrhundert der Gasthof „zum goldnen Schwert“. Die Ostseite des Marktes ist hier nur bis zur Marienapotheke wiedergegeben. Im Vordergrunde ragt rechts ein Theil des Portechaisenhauses hervor. Bemerkenswerth sind die damals noch zahlreichen altdeutschen Dachgiebel. Der Platz ist vom Wochenmarktverkehr belebt. (Oelgemälde Nr. 615 in der Königlichen Galerie.)




XI.
Die Kreuzkirche

von der südöstlichen Ecke des Altmarktes her aufgenommen 1757. Die Kirche war von 1492 bis 1498 erbaut, der Thurm damals aber unvollendet gelassen. In den Jahren 1579 bis 1582 wurde der obere Theil des Thurmes von der Stelle an, wo unterhalb der ersten Galerie die helleren Steinlagen beginnen, aufgesetzt, auch das Portal vorgebaut und die Form der Fenster verändert. Die Glocken, die sich bis dahin an der Stelle befunden hatten, wo sich noch die zugemauerte kreisrunde Oeffnung zeigt, wurden höher gebracht und Kanonen auf den Thurm gestellt, die bei hohen Festen Freudenschüsse abgaben. Durch Blitzschlag wurde 1669 der obere Theil des Thurmes zerstört, aber 1673 in der früheren Form wieder hergestellt. – Auf der linken Seite des Bildes tritt das Eckhaus am Altmarkte hervor, wo in unserm Jahrhundert Ludwig Tieck wohnte. Die vorspringende Ecke am Eingange zur Kreuzstrasse bildet das von 1720 bis 1724 erbaute Vitzthumsche, später dem Feldmarschall Grafen Rutowski gehörige Palais, das 1786 durch Brand zerstört wurde. Gegenüber ragt hinter der Kirche eine Ecke des alten Superintendenturgebäudes hervor. Die Thurmuhr zeigt die zweite Nachmittagsstunde, die Besucher der Mittagspredigt verlassen die Kirche. (Oelgemälde Nr. 616 in der Königlichen Galerie.)




XII.
Die Ruinen des Kreuzthurms

von der Superintendentur aus aufgenommen 1765. Bei der Beschiessung Dresdens durch König Friedrich II. von Preussen wurden am 19. Juli 1760 mittags 1 Uhr aus einer der hinter Zinzendorfs und der Hoheiten Garten aufgestellten Batterien fünf Bomben gegen den Kreuzthurm geworfen, von denen die dritte zündete. Seit 10 Uhr morgens schon brannte die benachbarte Kreuzgasse, um 4 Uhr nachmittags stürzte der obere Theil des Thurmes auf das Dach der Kirche und in kurzer Zeit lag diese in Trümmern, während der untere Theil des Thurmes stehen blieb. Nachdem am 16. Juli 1764 der Grundstein zur neuen Kirche gelegt worden, war man bereits bis zur Aufstellung der grossen, die Säulenfüsse bildenden Quadersteine gelangt, als am 22. Juni 1765 früh 7 Uhr unvermuthet die hintere Wand des alten Thurmes, mit dessen Ausbesserung man beschäftigt war, zusammenstürzte. Es musste nun zur Abtragung des Thurmes verschritten und zu diesem Zwecke ein Gerüst aufgeführt werden. Das Bild stellt dar, wie ein Arbeiter auf langer Leiter die Höhe erklimmt, um die Vorbereitungen hierzu zu treffen; eine grosse Zuschauermenge umsteht den Bauplatz. Die innere Konstruktion des Thurmes lässt die verschiedenen baulichen Umgestaltungen erkennen. – Links auf dem Bilde erblickt man einen Theil der alten Kreuzschule, dahinter die Ruinen der bei der Beschiessung abgebrannten Häuser. Im Hintergrunde erscheint über den Häusern des Altmarktes die Spitze des Wilsdruffer Thorthurms. Rechts zeigt sich ein schmales Stück vom Rutowskischen Palais. (Oelgemälde Nr. 638 in der Königlichen Galerie.)




XIII.
Der Neumarkt

von der Moritzstrasse her aufgenommen 1750. Das Haus links ist das Eckhaus am Ausgange der Frauenstrasse, dessen mit einem Kinderfries geschmückter Erker aus der Zeit Herzog Georgs noch heute erhalten ist. Gegenüber steht das 1591 bis 1592 erbaute alte Gewandhaus, mit seiner 200 Ellen langen, mit drei Giebeln geschmückten Hauptfront von der Frauenstrasse bis zum Jüdenhofe reichend; seine oberen Räume dienten bei den Jahrmärkten als Verkaufshalle für Tuchhändler, Kürschner und Schuhmacher, sowie bei den Landtagen zu den Sitzungen der Ritterschaft und sonst zu Theateraufführungen, während sich im Erdgeschoss die Fleischbänke befanden. Es wurde nach Vollendung des neuen Gewandhauses 1770 an den Staat abgetreten und der hier sichtbare Theil im Jahre 1800 abgebrochen. – Der Einblick in die Augustusstrasse zeigt ein Stück des Brühlschen Palais, das erst später bis zur Fischergasse (Brühlschen Gasse) weitergeführt worden ist. Das vor der Frauenkirche stehende Gebäude ist die 1715 erbaute Hauptwache (Corps de Garde), die bei der Beschiessung 1760 mit zerstört wurde; davor bei dem Schilderhause ist ein Galgen zur Hinrichtung militärischer Verbrecher und der zum Strafreiten dienende hölzerne Esel aufgestellt. Rechts steht der zum Andenken an den Sieg Johann Georgs III. bei Wien 1683 errichtete, 1866 nach dem Jüdenhofe versetzte Viktoriabrunnen, dessen Beckenrand damals mit zahlreichen Vasen geschmückt war. In der Nähe erblickt man Vogelhändler und Hökerinnen, dahinter Schleiferbuden, im Vordergrunde links auf einer Bühne einen Quacksalber, der durch einen Guitarrespieler und einen Possenreisser das Publikum zum Kaufe seiner Heilmittel anlockt. (Oelgemälde Nr. 613 in der Königlichen Galerie.)



Empfohlene Zitierweise:
Otto Richter (Archivar): Canaletto-Mappe. Wilhelm Baensch, K. S. Hofverlagsbuchhandlung, Dresden 1895, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Canaletto-Mappe_(Otto_Richter).pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)