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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

kriegen sie doch nicht mehr, und darum fällt ja nach ihrem Tode alles wieder an uns zurück.« Der Churfürst von Hessen war damit einverstanden; die beiden Alten hielten Hochzeit; die beiden Churfürsten thaten ein paar Ämter zusammen und gaben sie zur Aussteuer, aber mit dem Beding, daß sie, wenn keine Erben da sein sollten, an Hannover und Hessen wieder heimfielen. So entstand die Grafschaft Schaumburg- Lippe. Das alte Ehepaar kriegte aber wider Erwarten doch einen Sohn, der Otto genannt ward; eben jener Graf, der die beiden Frauen hatte.


51.

Von Spiessingshol (schaumburg-lippisches Forsthaus) aus in westlicher Richtung zieht sich im Bückeburger Walde ganz nahe der Grenze wohl drei Stunden lang ein Wall hin, der heißt Schanzgraben oder Drusenwall. An einer Stelle ist er doppelt; die wird der Pferdestall genannt.

Es geht nun die Sage, in alter Zeit wären die von Schlüsselburg häufig von der Weser her nach Wiedensahl gezogen und hätten arg gewirthschaftet mit Sengen und Plündern. Zu der Zeit war auch ein tapferer Ritter in Bückeburg, den sprachen die Wiedersahler um Beistand an; dafür mußten sie aber gewisse Abgaben liefern an Geld und Korn. – Wenn nun die Schlüsselburger im Anzuge waren, so wurde die Sturmglocke gezogen und die Wiedensahler flüchteten mit ihrer Habe in den Pferdestall hinter dem Drusenwall; da lag dann der Ritter von Bückeburg mit seinen Reitern, so daß die von Schlüsselburg nicht wagten nachzurücken, sondern abziehen mußten, woher sie gekommen waren. –

Es hatte der Ritter auch eine Frau, und kam die ins Wochenbett, so schickten ihr die Wiedensahler Eier und junge Hähnchen, daß sie den Ritter zum Freunde behalten möchten. Was aber erst guter Wille war, ward nachher Zwang; die Eier und die jungen Hähnchen mußten geliefert werden, die Frau mochte in Wochen sein oder nicht, und so ist’s heute noch.


52.

Bei Wiedensahl in der Hespe (Weg aus dem Dorfe nach Kloster Loccum), nahe hinter der Länderfläche, welche die »Wîëme« heißt, haben in alter Zeit zwei Fräulein gewohnt, denen die Wiedensahler zu Diensten und Abgaben verpflichtet waren. Diese zwei Fräulein sind einst von da weggezogen nach Sachsenhagen, haben aber vorher den nahegelegenen Wald an die Gemeinde Wiedensahl geschenkt und das Land an die Pfarre. Ob nun wohl zu jetziger Zeit in der Hespe von Wohngebäuden nicht die Spur mehr zu finden ist, so wollen alte Leute doch behaupten, daß der Brunnen jener zwei Fräulein nur mit Rasen bedeckt, sonst aber noch wohl erhalten sei.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_141.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)