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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Der Knabe war 12 Jahre alt, da wollte der König eine Reise thun. Er gab seinem Sohne die Schlüssel zu allen Zimmern; aber einen Schlüssel zeigte er ihm, in das Gemach, wo der zu paßte, da sollte er nicht hineingehen. Als der Vater fort war, ging der Knabe in alle Zimmer; und endlich nahm er, obgleich es ihm streng verboten war, den letzten Schlüssel, der paßte in die Kellerthür, und als er da hineinging, so lag da eine Frau im Sarge; das war aber die ermordete Königstochter. Da gab ihr Gott, daß sie sich aufrichten und sprechen konnte: »Der König ist dein Vater und mein Vater«, sprach sie da, »und ich bin deine Mutter.« Dann hieß sie ihm, daß er sich Haut nähme von ihrem Leibe zu Handschuhen, und daß er hinginge in den Stall und schnitte einer trächtigen Mähre das Füllen aus dem Leibe; wenn das groß wäre, so sollte er sich darauf setzen und die Handschuhe anziehen von ihrem Leibe und ausreiten zu einer Königstochter, die sie ihm nennen würde. Die hätte gelobt, den zu heirathen, der ihr ein Räthsel aufgäbe, das sie nicht rathen könnte. Dann sollte er zu ihr sprechen:

»Ungeboren bin ich,
Ungeboren reit ich,
Und trage meine Mutter an der Hand.«

Das würde sie nicht herausbringen können, was das wäre.

Der Königssohn that, wie ihm seine Mutter geboten hatte. Er zog das ungeborene Füllen groß und ritt zu der Königstochter; die konnte das Räthsel nicht errathen und mußte ihn zum Manne nehmen.


40.

In einem Hause war mal ein Rabe, der konnte sprechen. Da ging eines Tages die Herrschaft aus, und die Magd, welche sich derweilen etwas zu gute thun wollte, schlug Eier in die Pfanne und backte sich einen schönen Pfannkuchen. Mit dem so kam die Herrschaft schon zurück, und die Magd, welche den Pfannkuchen nicht wollte sehen lassen, warf ihn verstohlen in den Trankeimer. Das sah der Rabe, und nun ging er immer im Hause herum und sprach: »Use maged panke drank! Use maged panke drank!« Da wurden die Leute aufmerksam, sahen in den Trank und fanden den Pfannkuchen; da mußte die Magd bekennen, daß sie den Pfannkuchen heimlich gebacken hätte.

Wegen des, so kriegte die Magd einen großen Haß auf den Raben; faßte ihn, da ihre Frau nicht zu Hause war und vernähte ihm den Bürzel mit einem starken Flicken, daß er daran des Todes sterben sollte. Als nun die Frau zu Hause kam, so schrie der Rabe in einem fort: »Use maged panke drank! prün âs täo! prün as täo!« Da merkte die Frau, daß dem armen Thiere der Bürzel vernäht war, trennte den Flicken säuberlich ab und jagte die treulose Magd aus ihrem Dienste.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_132.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)