Seite:Busch Ut oler Welt 124.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

kam wieder und der Bursche sagte zu ihr: »Kumm, Katte, un warme di!« Die Katze sagte:

»Kättchen, wärme dich!
Spricht Herme zu mich!«

und rief damit die anderen, deren nun eine noch viel größere Zahl wurde als die Nacht vorher. Der Bursche lud sie zum Breiessen ein, bespritzte sie aber sofort mit dem heißen Brei, und der dicken goß er den ganzen Topf voll über den Kopf. Am anderen Morgen lag die Müllerin im Bette, hatte ein Tuch um den Kopf und konnte nicht aufstehen. Da sagte der Bursche zu dem Müller: »Wenn Ihr nun noch nicht glauben wollt, daß Eure Frau eine Hexe ist, so geht hin und seht zu, ob sie einen verbrannten Kopf hat!« Der Müller ging hin. »Ei, Frau, bist du schon wieder krank? Was fehlt dir denn?« »Ach, ich habe so schreckliches Kopfweh, daß es nicht zum Aushalten ist.« »So? Laß mich mal fühlen, ob du auch Hitze hast?« »O nein, o nein! Wenn ’r nur eben angetickt wird, so giebt es mir gleich einen Stich durch und durch.« »Ach, Frau, dann will ich gleich den Doktor holen lassen.« »O ne, O ne! Der kann mir doch nicht helfen; laß mich doch endlich in Ruhe!« – Das that der Mann aber nicht, sondern er riß ihr mit Gewalt das Kopftuch ab; da sah er, daß der ganze Kopf voll Brandblasen war. Da zerrte sie der Mann aus dem Bette, knurrte sie in die Seite und trat sie mit Füßen. Dann ließ er das Gericht kommen.

Als nun die Aussage des Müllerburschen zu Papier gebracht war, nahm man die Hexe in das scharfe Verhör, worin sie dann bekannte, daß ihre Großmutter ihr das Hexen beigebracht hätte, da sie noch ein unmündiges Kind gewesen. Nach zwei Tagen wurde um einen Pfahl her ein Feuer angemacht, darin man die Hexe vor aller Leute Augen so lange braten ließ, bis sie todt war.


25.

Zwischen Petershagen und Windheim (an der Weser) hat sich vor dieser Zeit eine sonderbare Geschichte zugetragen: Es lag an einem schönen Sommerabend ein Schäfer mit seiner Heerde, der Weser nahe, auf einem grünen Anger. Da nun die Sterne und der Mond heraufgegangen waren, saß der Schäfer noch spät auf und hörte zu, wie der Strom mit leisem Klange durch die Weiden ging. Ob nun wohl zu jener Stunde die Luft ganz ruhig war, so trieb doch etwas in der Richtung, wie der Lauf des Wassers war, gleich einer Feder in Windeseile daher, ließ den bleichen Nebeldunst der Luft bald hinter sich und erschien als ein schöngeziertes Fräulein, das stand und fuhr in einer Muldenscherbe, kam bald an das Ufer, stieg aus und ging dem Dorfe zu, bis es nicht mehr zu sehen war. Da nahte sich der Schäfer der Stelle, wo das Fräulein ans Land gegangen war, fand und nahm die Muldenscherbe und barg sie in den Uferweiden.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_124.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)