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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

23.

In Wiedensahl hat sich früher ein alter Soldat aufgehalten, der war im Kriege zum Krüppel geschossen und hatte ein hölzernes Bein und weil er davon hinkte, so nannten ihn die Leute »Hinkebein«. Er betrank sich viel, war aber sehr beliebt, denn er konnte den ganzen Abend Märchen und andere Geschichten erzählen. Wenn er nun erzählen wollte, so schlug er mit seiner Krücke auf den Stuhl und rief: »Nu höret, kinner, eck will jück wat vertellen.« – So erzählte er auch: Es ist nun schon über hundert Jahre her, da hat auf Pastors Hofe bei Nacht immer eine Kutsche mit vier Pferden gefahren; darin saß der verstorbene Pastor. Die Kühe fingen an zu brüllen, die Thüren schlugen und den Mägden wie dem Knechte wurden die Bettdecken weggezogen. Das ist nicht zum Aushalten gewesen. In einer Nacht ist der Knecht aufgestanden und in die Stube gegangen, da hat der Pastor leibhaftig hinter dem Ofen gesessen, mit der weißen Zipfelmütze auf dem Kopfe. Als der Knecht ihn anredete und fragte, warum er immer wieder käme, hat er geantwortet, das wären seine Sachen nicht. – Zuletzt, weil der Spuk hat gar nicht aufhören wollen, hat man zum Pater geschickt, der hat ihn endlich weggebetet. Das ist nun aber schon über hundert Jahre her.


24.

In einer Mühle im Dorfe kamen allezeit die Mühlenburschen um; sie wurden am achten Morgen mit abgebissener Gurgel im Bette gefunden, so daß zuletzt keiner mehr da bleiben wollte. Endlich kam ein beherzter Müllerknecht, der blieb trotz ernster Warnung da.

Der Müller hatte mit seiner Frau keine Kinder, und sie wollte den Knecht verführen; der aber weigerte sich beständig. Des Nachts machte er ein Feuer an, legte ein Beil neben sich und siehe da! um zwölf Uhr ging es trapp! trapp! vor der Thür; eine dicke schwarze Katze stand davor. Der Knecht sagte: »Kumm, Katte, un warme di!« Da rief die dicke noch eine Menge anderer Katzen, sprechend:

»Kättchen, wärme dich!
Spricht Herme zu mich;«

und unversehens fielen sie über den Knecht her, der aber schlug mit dem Beil dazwischen und verwundete mehrere, die dicke am Kopfe und an den Beinen. Die Katzen liefen alle heulend weg. Am anderen Morgen war die Müllerin krank, sie hinkte und hatte den Kopf mit einem Tuche verbunden. Da sah der Bursch, daß seine Meisterin eine Hexe war und ihn als die dicke schwarze Katze mit den anderen Hexen aus der Nachbarschaft so böse geplagt hatte. Er sagte es dem Müller, der wollte es nicht glauben.

In der zweiten Nacht kochte der Knecht sich Brei. Die dicke Katze

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_123.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)