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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

lautlos, mit dem Krüsel in der Hand. Der Pastor konnte vor Schrecken kein Wort herausbringen. Als der Geist nach seiner Gewohnheit mit trauriger Miene an der Brandmauer herumgeleuchtet hatte, trat er an den Tisch, löschte erst ein Licht, dann das andere; als er aber das dritte auch löschen wollte, faßte sich der Pastor und redete ihn an: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn.« »Ich auch«, sprach der Geist; »aber ich finde keine Ruhe, weil ich in die Mauer bei Lebzeiten mein Geld verborgen habe. Gebt drei Theile meinen Kindern und ein Theil den Armen, dann brauche ich nicht mehr an dieser Stelle zu wandeln.« Der Pastor versprach es. »So gieb mir die Hand darauf!« sagte der Geist. Der Pastor reichte ihm seinen Stock, der wurde ganz schwarz, wie ihn der Todte berührte. Darauf ist der Geist lautlos wieder gegangen. Am andern Morgen erzählte der Pastor, was ihm begegnet war; man brach die Mauer auf, fand das Geld und erfüllte den Wunsch des Todten, der sich von der Zeit an nicht wieder sehen ließ. Der Pastor ist aber bald darnach gestorben.


10.

In Ilwese ging ein feuriger Mann um. Weil man nun den kürzlich verstorbenen N. allgemein im Verdacht hatte, daß er in Grenzstreitigkeiten einen falschen Eid geschworen habe und darum nach seinem Tode als feuriger Mann umgehen müsse, so wollte sich sein Nachbar davon überzeugen. An einem dunkeln Abend sah er ihn wieder durch den Kamp ziehen, ging eilig hinaus, folgte ihm und holte ihn zuletzt ein, so daß er eine ganze Weile dicht neben ihm herging. Da sah er denn, daß es wirklich jener Mann war. Er trug eine kurze Hose und gelbe Gamaschen, und aus dem Hosenqueder, rings um die Hüfte, da schlugen die hellen Flammen heraus. Als jener Mann sich nun genug überzeugt hatte, wollte er wieder nach seinem Hause umkehren. Da hing sich plötzlich der feurige Kerl auf seinen Nacken. Den mußte er mit großer Mühe bis vor seine Hausthüre schleppen, wo er zusammenbrach. Er kriegte eine zehrende Krankheit und starb bald nachher.


11.

Bei Wiedensahl an der Steinstiege vor der Horst beim Pinkenbruche da sagte immer, wenn es ander Wetter werden will, besonders bei Miesterwetter, wer: »Guden Abend! Guden Abend!« und führte die Leute, die da vorbeikamen, in die Irre. Der Borsteler Meier, der eines Tages bei dem alten Wöltken in Wiedensahl schmieden ließ, wollte noch spät Abends zurück nach Hause. Er hatte tüchtig einen getrunken, und der Schmied sagte ihm, er sollte lieber in der Nacht da bleiben und nicht mehr weggehen; er müßte doch über die Stiege, wo der Gutenabend säße. »Eck bin no nich bange! Eck will no wol na hus kuomen, eck verlate mi up minen Krückstock«, sagte

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_118.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)