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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Den andern Tag kam der Bräutigam der Prinzessin wieder zum Besuch auf das königliche Schloß; sie ließ sich aber nichts merken, sondern that ganz freundlich und stellte ein großes Gastmahl an. Da sie nun bei Tische saßen, brachte die Prinzessin einen Vorschlag, es sollte ein jeder nach der Reihe eine Geschichte erzählen, sie sei kurz oder lang. Da sprach der Graf, der ihr an der Tafel gegenüber saß: wer den Vorschlag gethan, der müßte auch, wie billig, den Anfang machen. »Mir recht!« entgegnete die Prinzessin; »so will ich einen Traum erzählen, der handelt von dir, mein Schatz! Mir hat heut Nacht geträumt, ich wollte dich besuchen und käme durch einen dunklen Wald auf eine weite, weite Haide; da stand dein Schloß; und vor dem Schloß da lag ein großer Hund, der bellte: ›Hau! Hau! Hau!‹ und an dem Giebel hing in einem Bauer ein wunderlicher Vogel, der rief: ›Zurück! Zurück! Zurück!‹ Es war aber alles nur ein Traum. Ich ging weiter in das Haus; da warst du, mein Schatz, nicht daheim, denn ich war den Freitag zu dir gekommen und nicht den Mittwoch, da stand auf der Flur ein Klotz, der war mit einem weißen Laken zugedeckt, und als ich das Laken aufhob, fand ich ein großes blankes Beil, und der Klotz war über und über von Blut roth.« »Halte ein wenig ein, mein Schatz«, sprach der Graf und war ganz blaß geworden; »ich will mal hinaus; es wird mir hier so heiß.« »Ach nein!« sprach die Prinzessin; »gleich bin ich zu Ende. Es war alles nur ein Traum, aber es kam mir vor, ich ginge in den Keller, da standen viele große Fässer, die waren alle voll von eingesalztem Menschenfleische, und als ich die Treppe hinauf in deine Zimmer kam, da standen in dem ersten zwei gemachte Betten, in dem zweiten drei, in dem dritten vier, und in dem vierten Zimmer hingen an den Wänden herum viele Mädchenköpfe, das sah ich an den langen Haaren. Ist das nicht schrecklich? Es war aber alles nur ein Traum. Und als ich aus dem Fenster sah, da kamst du, mein Schatz, über die Haide daher geritten.« »Halte ein wenig ein, mein Schatz, ich muß mal hinaus; es wird mir hier so heiß.« »Ach nein, mein Schatz! Bleib noch ein wenig hier; gleich ist mein Traum zu Ende. Wo blieb ich doch! Ja so! Und als ich aus dem Fenster sah, da kamst du über die Haide dahergeritten und brachtest auf dem Pferde eine schöne Dame mit. Ich aber, denke dir nur, mein Schatz, ward bange vor dir und lief in Eile die Treppe hinab, da versteckte ich mich in den dunklen Entenstall. Es war aber alles nur ein Traum. Da kamst du mit der schönen Dame in das Haus und gabst ihr rothen Wein zu trinken.« »Halte ein wenig ein, mein Schatz; ich muß mal hinaus; es wird mir hier so heiß.« »Ach nein, mein Schatz; bleib noch ein wenig hier; gleich ist mein Traum zu Ende. Wo blieb ich doch? Ja so! Du kamst mit der schönen Dame in das Haus und gabst ihr rothen Wein zu trinken, du schlepptest sie an den Klotz, du hörtest nicht auf ihr Weinen und Wehgeschrei, du hacktest ihr mit dem

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_109.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)