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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

»Ihr seid die königliche Prinzessin,« entgegnete Friedrich; »aber verzeiht! meine Mütze kann ich nicht abnehmen, weil ich den Grind habe.« »Junge! Schelm! du lügst!« rief die Prinzessin, sprang auf ihn zu und rang so lange mit ihm, bis sie ihm endlich das Tuch vom Kopfe zog; da wallten ihm mit einem Male seine langen goldenen Locken über den Nacken herab. »Das wußt ich wohl, du Goldjunge!« rief die Prinzessin voller Freuden; »dich will ich nun auch zu meinem Gemahle haben, es mag gehen wie es will!« Und da faßte sie ihn bei den Locken und küßte ihn und konnte sich gar nicht satt sehen an all dem Glanze, der von dem goldenen Haare strahlte.

Es währte aber nicht lange, so ward dem Könige hinterbracht, daß sich seine Tochter zu dem Gärtnerburschen, dem Grindhans, hielte und daß sie dächte, ihn zu ihrem Gemahl zu nehmen. Darüber gerieth der König in so heftigen Zorn, daß er der Prinzessin Befehl gab, das Schloß zu verlassen. Da ging sie hin zu ihrem lieben Gärtnerburschen, mit dem wohnte sie nun zusammen in dem kleinen Gartenhause.

Es begab sich aber zu derselben Zeit, daß ein mächtiger Feind mit einem großen Kriegsheere in des Königs Land fiel; da rüstete sich der König, eine Schlacht zu schlagen. Den Tag vorher aber, ehe der König auszog, kam Friedrich zu dem Schimmel in der hohlen Eiche und brachte ihm sein Brod. Da fragte der Schimmel: »Nun, Friedrich, wie gefällt es dir bei dem Gärtner?« »Recht gut!« entgegnete er. Sprach der Schimmel: »Morgen früh komme bei Zeiten wieder, so will ich dir einen guten Rath geben.« Als nun Friedrich am andern Morgen zu dem Schimmel kam, gab ihm der ein Schwert und sprach: »Es wird nicht lange währen, so kommt der König mit seinem Heere an dem Strome heraufgezogen; dann setze du dich ans Ufer und schlage mit dem Schwerte ins Wasser und sprich dazu: ›Einen erhauen, Einen erstochen!‹ und wenn das Heer vorüber ist, so komm zurück.« Friedrich that, wie ihm der Schimmel gesagt hatte. Da nun das Heer heranzog und ihn sitzen sah, sprachen die Soldaten untereinander: »Seht! da sitzt Grindhans, des Königs Schwiegersohn!« und spotteten über ihn. Sobald sie aber vorüber waren, ging Friedrich schnell wieder zu dem Schimmel zurück, der gab ihm zu dem Schwerte auch noch eine prächtige Rüstung. »Friedrich,« sprach der Schimmel da, »es wird nun die Zeit sein, wo die Heere gegen einander stoßen, darum rüste dich und reite auf den Kampfplatz, wenn du dann drei Kreuzhiebe mit deinem Schwerte thust, so werden gleich dreimal hunderttausend Feinde erschlagen liegen, und der König wird heute den Sieg erlangen; verweile dich aber nicht, sondern reite, sobald es geschehen, hier zu der Eiche zurück, lege deine Rüstung ab und setze dich an den Strom und thu wie vorhin.« Da machte Friedrich sein Goldhaar los, rüstete sich, schwang sich auf den Schimmel und ritt in vollem Galopp dem Heere nach, daß seine goldenen Locken im

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_102.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)