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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

schönsten Blumen wachsen. Du darfst aber auch nicht vergessen, mir alle vierzehn Tage ein Pfund Brod zu bringen.« Friedrich ging nun hin zu dem Gärtner und fragte, ob er nicht einen Burschen gebrauchen könnte. »Du kommst mir gerade recht,« sprach der Gärtner; »einen Burschen, wie du bist, habe ich schon lange gesucht; aber warum hast du dir denn Kopf und Hände verbunden?« »Mit Verlaub, Herr Gärtner; ich habe den Grind.« Sprach der Gärtner: »So kann ich dich nicht anders behalten, als wenn du im Gartenhause schlafen willst.« Friedrich war damit zufrieden; er streute den Samen ins Land, den ihm der Schimmel gegeben hatte, und bald wuchsen die schönsten Blumen hervor.

Eines Morgens, da er ganz allein im Garten arbeitete, fiel ihm ein: »Du hast nun so lange Zeit dein Haar nicht los gehabt, daß es wohl an der Zeit ist, es einmal zu kämmen.« Darum so machte er das Tuch los, setzte sich an einen sonnigen Ort und strählte sich das Haar. Das war eine Pracht zu sehen, wie ihm da die langen goldenen Locken über die Schultern wallten und wie sie funkelten und blitzten wie lauter Gold in der Morgensonne. Nun lagen aber die Zimmer der königlichen Prinzessin nach dem Garten hin; in die strahlte der Sonnenwiderschein von Friedrichs Goldhaar und spielte an den Wänden, und als die Prinzessin das sah, öffnete sie das Fenster, zu schauen, woher der ungewohnte Glanz wohl kommen möchte; da sah sie, daß des Gärtners Bursche mit goldenen Händen seine goldenen Locken strählte, die schimmerten in so lichtem Scheine, daß die Prinzessin ihre Augen mit den Händen deckte. Der Bursche gefiel ihr aber so wohl, daß sie sogleich ihre Dienerin zu dem Gärtner schickte, er möchte ihr doch von den schönen Blumen aus seinem Garten einen Strauß schicken, aber der Bursche solle ihn herbringen. Als das Friedrich vernahm, pflückte er einen schönen Strauß, ging damit aufs Schloß und brachte ihn der Prinzessin; seinen Kopf, wie auch seine Hände hatte er aber wieder mit Tüchern umwickelt, daß von dem Golde nichts zu sehen war. »Grober Schlingel!« rief da die Prinzessin; »warum nimmst du die Mütze nicht ab? Weißt du nicht, vor wem du stehst?« »Ihr seid die königliche Prinzessin!« entgegnete Friedrich; »aber meine Mütze kann ich nicht abnehmen, weil ich den Grind habe.« »Junge, du lügst!« rief die Prinzessin, sprang auf ihn zu und wollte ihm das Tuch vom Kopfe ziehen, er aber entwischte ihr und lief weg in den Garten an seine Arbeit. Den andern Morgen schickte die Prinzessin wieder zu dem Gärtner, er möchte ihr von den schönen Blumen noch einen Strauß schicken, aber der Bursche müßte ihn herbringen. Als Friedrich das vernahm, pflückte er einen noch viel schöneren Strauß als das erste Mal, ging damit aufs Schloß und brachte ihn der Prinzessin; sobald er aber in der Stube war, verschloß die Prinzessin die Thüre. »Grober Schlingel!« rief sie wieder; »warum nimmst du deine Mütze nicht ab? Weißt du nicht, vor wem du stehst und daß sich das nicht schickt?«

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_101.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)