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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Einstmals, da der Junge wieder den Schimmel ritt und die Junfer auf dem Hofe spazierte, nahm er den günstigen Augenblick wahr, wo ihn keiner beachtete, hob die Junfer vor sich aufs Pferd, riß den Käfig mit dem Vogel von der Wand und jagte davon, so schnell er nur immer konnte. Der König, dem das gemeldet ward, hieß sogleich seine Diener zu Pferde steigen, daß sie den Jungen verfolgen sollten; aber der Schimmel lief wie der Wind über Hagen und Zäune, so daß die, welche ihn verfolgten, bald wieder umkehrten, weil sie wohl einsahen, wie vergeblich es war, den Flüchtigen noch weiter nachzusetzen.

Der Schimmel rannte nun in vollem Galopp immer weiter und weiter über den Strom und die Brücke bis vor das Schloß, welches war verwünscht gewesen; da stand er still, als wenn er nun zu Hause wäre; als sie aber hineingingen, waren alle Zimmer fest verschlossen und war zu keinem der Schlüssel zu finden. Nun wohnten da um das Schloß herum Leute, die fragte der Junge, ob sie nicht die Schlüssel zu dem schönen Schlosse wüßten. »Nein!« sagten die Leute, »die sind verloren gegangen; wer sie aber findet, der ist Herr des Schlosses und König über das ganze Land.« Da ging der Junge betrübt zu seinem Schimmel und sprach: »Lieber Schimmel, wir müssen wohl weiter reisen, denn was hilft uns nun das schöne Schloß, da wir doch nicht wissen, wo dazu die Schlüssel sind.« »Nur nicht verzagt«, entgegnete der Schimmel; »es läßt sich wohl noch Rath schaffen; als du damals mit der Junfer über die Brücke rittst, ließ sie die Schlüssel in den Strom fallen; vielleicht kann dir der König der Fische sie wieder suchen.« Da erinnerte sich der Junge daran, was der Fisch ihm versprochen hatte, als er ihm die Freiheit wiedergab, lief schnell an den Strom und rief: »König der Fische, König der Fische!« Kaum hatte er das gesagt, so kam der Fisch ans Ufer geschwommen und fragte: »Was steht zu Diensten?« Sprach der Junge: »Es ist schon eine gute Zeit her, da hat eine Junfer ein Bund Schlüssel hier von der Brücke ins Wasser fallen lassen; wenn du mir das wieder schaffen könntest, so geschähe mir ein großer Gefallen.« »Was in meinen Kräften steht, will ich thun!« entgegnete der König der Fische; und alsbald rief er sein Volk zusammen und machte bekannt, so und so, zu der und der Zeit, an der und der Stelle wäre ein Bund Schlüssel von der Brücke ins Wasser gefallen und verloren gegangen, und wer das wieder fände, der sollte eine gute Belohnung haben. Sieh da! da entstand ein Gewühl und Gewimmel unter den Fischen; der eine schwamm hierhin, der andere schwamm dahin, denn jeder wollte gern die Belohnung empfangen; es dauerte auch nicht lange, so kam einer von den Fischen eilig wieder angeschwommen und meldete dem Könige: »Das Bund Schlüssel wäre da, aber es läge ein großer, allmächtiger Wallfisch darauf, der wolle nicht von der Stelle rücken.« »Da wollen wir bald zukommen!« sprach der König; »dazu haben wir den Sägefisch mit seiner

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_092.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)