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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Das hörte gegenüber im Schloße die Prinzessin, und an dem Tone und der Melodie erkannte sie, daß der gekommen war, welcher sie aus den Händen der Räuber befreit hatte. Da fing sie laut zu weinen an und ging zu ihrem Vater und fiel ihm mit Schluchzen rund um den Hals und konnte kein einziges Wort hervorbringen. »Was fehlt dir denn, mein Kind,« fragte der König da; »daß du so traurig bist, und morgen ist doch dein Hochzeitstag?« »Ach, lieber Vater,« sprach die Prinzessin, »ich darf und darf es niemals sagen, was mich so traurig macht; das habe ich schwören müssen.« »Nun!« sagte der König, »wenn du es nicht sagen darfst, so darfst du es doch schreiben« und ließ Feder, Tinte und Papier holen. Da schrieb sie auf, daß der, welcher in dem Gasthofe die Flöte spielte, sie von den Räubern erlöst hätte; der Schiffskapitän aber wäre ein Betrüger und falscher Mann und gäbe sich mit Unrecht für ihren Befreier aus. Als das der König las, schickte er gleich einen von seinen Dienern hin, daß er den Mann holen sollte, der in dem Gasthofe gegenüber auf der Flöte spielte. Wie aber der Diener hinkam und den Fremden darum ansprach, so that der ganz säumig und sprach; »Wenn dein Herr, der König, mich zu sprechen wünscht, so kann er selber kommen; der Weg vom Könige zu mir ist nicht weiter als der Weg, welcher von mir zum Könige geht«. Mit der Antwort ging der Diener vor den König und sagte ihm auch, was das für ein schmutziger Gesell wäre, der so verwegen gesprochen hatte. Da redete der König seiner Tochter zu, daß sie sich den Landstreicher sollte aus dem Sinne schlagen; aber die Prinzessin wollte sich nicht eher zufrieden geben, bis ihr Vater selbst hinging und den Mann herüber in das Schloß holte. Da erkannten sich die beiden und fielen sich in die Arme, und dann erzählten sie dem Könige von der Treulosigkeit des Schiffskapitäns und wie das alles so gekommen war. Da gab der König den Befehl aus, daß der Kapitän zur Strafe von vier Ochsen sollte in Stücken gerissen werden; den Königssohn aber vermählte er mit seiner Tochter und machte ihn zum Könige, und das ist er auch geblieben, bis er starb.


23. Der Königssohn Johannes.

Es war mal ein Königssohn mit Namen Johannes, der wollte auf Reisen gehn, und ob sein Vater gleich dawidersprach, weil er fürchtete, es könnte ihm unterwegs ein Unglück zustoßen, so ließ er sich doch nicht zurückhalten, sondern zog fort in die weite Welt hinein. Mit Anbruch der Nacht kam er in einen großen Wald zu einem Hexenhause, darin wohnte ein altes Weib mit ihrem Manne. Die Hexe war aber so bös geartet, daß sie alle drei Tage wenigstens einen Menschen fraß. den sie vorher in ihrem Backofen gebraten hatte. Als sie nun den schönen Königssohn in ihr Haus treten sah, da lachte ihr das Herz im Leibe, daß sie wieder einen guten Braten kriegte. »Du

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_052.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)