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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Ring, den sie ihrem Fritz vor sieben Jahren gegeben hatte, als sie von einander Abschied nahmen. Sowie sie aber den Ring erkannte, wurde sie ganz blaß und fiel für todt auf den Boden hin. Da nahm die Hochzeit ein trauriges Ende. Fritz aber ging zu seinem Vater und gab sich ihm zu erkennen und erzählte ihm, daß er nun Vizekönig von Spanien sei; das ist dem alten Manne eine große Freude gewesen.

Den andern Tag wurde Karoline in ihrem Sarge in das Todtengewölbe gebracht, denn sie war nicht wieder zum Leben zurückgekommen. Mittlerweile kam ein Bote von Spanien, der brachte die Nachricht an Fritz, die Königstochter wäre plötzlich gestorben und der König wollte nun die Regierung ganz abtreten; darum solle er doch schnell nach Spanien zurückkommen. Weil er aber, ehe er fortreiste, seine liebe Karoline doch noch zum letzten Male sehen wollte, so ging er mit seinem Vater, der den Schlüssel zu dem Todtengewölbe hatte, in der Nacht dahin; da lag sie still in ihrem Sarge, und als er sich nun weinend über sie beugte, um sie zu küssen, fühlte er mit einem Male, daß sie noch leise Athem holte. Da brachte er sie mit seinem Vater aus dem kalten Gewölbe ins Haus, und in der Wärme kam sie nach und nach wieder ins Leben zurück; und als sie ihren Fritz erkannte, fielen sie sich beide um den Hals und weinten vor Freude, daß sie sich nun endlich wieder hatten.

Den folgenden Tag mußte Fritz wieder fort nach Spanien; seine Karoline ließ er aber bei seinem Vater und sagte ihr, daß sie da heimlich bleiben sollte, bis er wieder käme. Es verging ein Jahr und ein Tag, da kam er zurück und veranstaltete ein großes Gastmahl, dazu ließ er auch den Bürgermeister einladen, und als sie zu Tische saßen, sagte er, er wolle ihnen mal ein Gleichnis aufgeben, darüber sollten sie ihm alle ihre Meinung sagen. »Es war mal ein Gärtner,« sprach er da, »der hatte eine wunderschöne Blume; die Blume verwelkte, und der Gärtner riß sie aus und warf sie aus seinem Garten. Nun kam des Wegs ein Mann, der fand die Blume, nahm sie mit und pflanzte sie in seinen Blumengarten, und weil er sie pflegte und wohl begoß, so wurde die Blume wieder frisch und schön wie vorher. Nun sagt! Wem kam die Blume zu? Dem Gärtner, der sie aus seinem Garten warf, oder dem Manne, der sie fand und pflegte, bis sie wieder frisch und grün geworden war?« Da sagten sie alle, daß dem die Blume gehörte, der sie gefunden und gepflegt hätte. »Nun denn,« sagte er, »so will ich Euch die Blume zeigen!« und indem so machte er die Thür auf und ließ seine Karoline hereinkommen. »Seht her! dies ist die Blume, die ich fand und pflegte und wieder ins Leben brachte, als sie verwelkt war; nun will ich sie auch behalten, so lange ich lebe.«

Da nahm er sie mit in sein Königreich und lebte glücklich mit ihr bis an sein Ende.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_040.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)