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„Zu Berlin befindet sich gegenwärtig eine deutsche Opernsängerinn die jedermann in Erstaunen setzt, der sie hört. Leute die lange Zeit in Italien gewesen sind, und vordem eine Faustina, Cuzzoni und Astrua gehört haben, versichern mich, daß sie solche alle miteinander übertreffe. Ich war wirklich ganz ausser mir, als ich sie vor zwey Jahren in Leipzig hörte. Ich habe noch keine Stimme gehört, die zu gleicher Zeit so voll, und so lieblich gewesen wäre: sie konnte alles damit machen, was sie wollte. Sie singt vom G bis in dreygestrichne E mit der grössesten Stärke und Leichtigkeit, und hat nach meiner Meynung nicht ihres Gleichen, so wenig im Portamento di voce, als in der Fertigkeit der Kehle. Allein, damals als ich sie hörte, schien sie nur das gerne zu singen, was schwer und geschwind war. Sie sang auf der Stelle vom Blatte weg, was sehr gute Violinisten Mühe hatten, sogleich vom Blatte zu spielen. Man konnte ihr nichts zu schweres vorlegen, sie brachte alles rein, und mit Leichtigkeit heraus. Sie hat aber hernach ihren Geschmack dergestalt ausgebildet, daß sie in Hassens Oper die Rolle der Tisbe singen können, welche mehr Simplicität und Ausdruck, als Fertigkeit der Kehle erfodert; und es ist ihr damit vollkommen geglückt, wie Herr[WS 1] Agricola, der Uebersetzer von Tosi’s Arte del Canto, und unser bester Singemeister in Deutschland, versichert hat. Der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. statt Vorlage: wie mich Herr – Verbessert nach dem Druckfehlerverzeichnis