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sie, gleich den Klageweibern bey den Alten, Nänien, singen.[H 1]

Es ist dabey anzumerken, daß, ausser der sauren Arbeit, die sie Sommer und Winter in allerley Witterung auf den Gassen verrichten, auch noch alle Sonn- und Festtage in den verschiedenen Kirchen singen müssen. Sie sind gewöhnlicherweise in Chöre von sechszehn oder achtzehn eingetheilt, und was sie die ganze Woche durch sammlen, wird in eine allgemeine Büchse gesteckt, welche der Rektor der Schule alle Sonnabende öfnet, einem jeden seinem bestimmten nothdürftigen Unterhalt reicht, und was übrig bleibt, nach ihrem verhältnißmässigen musikalischen Verdienste unter sie vertheilt; denn wenn z. E. der Anführer oder sogenannte Präfekt eines Chores, einen Reichsthaler erhält, so bekömmt der nächst ihm folgende beste Sänger einen Gulden, u. s. f. Dieses Geld bekommen sie indessen nicht gleich in die Hände, sondern der Rektor hebt es ihnen auf, bis sie ihre Schuljahre zurückgelegt haben, da ihnen dann zu ihrem weitern Fortkommen gereicht wird, was für sie zusammen gespart ist.

Diejenigen darunter, welche ein wenig Griechisch und Latein gelernt haben, werden gemeiniglich Schulmeistere in den verschiedenen Kirchspielen durch Sachsen; sie müssen aber auch die Orgel spielen können, weil auch die kleinste Pfarrkirche

Anmerkungen (H)

  1. [302] Die Nänie ist wohl nichts anders, als das bekannte Begräbnißlied: Nun lasset uns den Leib begraben, mit der Antwort. Uebrigens führt auch an vielen Orten bey Begräbnissen, der Cantor in der Kirche ordentliche geistliche Trauerkantaten auf. Die Austheilung des Geldes geschieht auf hunderterley Weise. Es gehen auch viele junge Leute ins Singechor, die kein Geld nehmen.