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Stimmen hatten aufs Chor, um einen Theil des Gottesdienstes abzusingen, ungefehr wie die Choristen in den engländischen Hauptkirchen noch thun. Für diesen Dienst wurden die Knaben von der Geistlichkeit erzogen und unterhalten, und solche unter ihnen, welche Fähigkeiten zum Lernen zeigten, wurden zum geistlichen Stande vorbereitet.

Nachdem bey Gelegenheit der Reformation die Bißthümer und Abteyen sekularisirt worden, und die Kirchen einen grossen Theil ihrer Einkünfte verlohren, büßten auch die Singeknaben das einzige Mittel ein, daß sie hatten, sich durch zu helfen. Allein die Geistlichen der neu eingeführten Religion waren bald darauf bedacht, diese Stimmen anzuwenden, und liessen sie solche geistliche Lieder auf den Gassen absingen, in welchen die Lehrsätze der römisch-chatholischen Religion bestritten, und solche, die sie selbst zu predigen angefangen hatten, unterstützt wurden. Ein wohlgewähltes Mittel, dem Volke die Reformation nach und nach bekannter und beliebter zu machen.[H 1]

Es ist eine allgemein angenommne Meynung, daß diese Schüler oder Singeknaben ein Grosses zu der schnellen Ausbreitung der Lehre Luthers in Sachsen gethan haben. Und weil keine feste Fundation für den beständigen Unterhalt dieser Sänger vorhanden war: so entschlossen sich solche Familien,

Anmerkungen (H)

  1. [301] Seckendorf in seiner Hist. Luther. führt einige Lieder an, die solche Wirkung thaten; in [302] den vielen Büchern von der Geschichte deutscher Lieder, die Wetzel, Gottschalk, Busch und andre geschrieben haben, kann man auch solche Exempel auffinden.