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frey bleibt. Die Einfassungen, Pfeiler, der Grund und die Verzierungen dieses Werks, sind nicht von Holz sondern von weissem Marmor; die Orgel sowohl als die Kirche scheinen ganz neu. Ich sahe nie an einer Orgel eine so prächtige edele Aussenseite. Einer von den Jesuiten hatte sie gebauet. Ihr Ton ist sehr gut, aber der Anschlag ungemein schwer.

Eine Bande herumreisender Musikanten bewillkommte mich in meinem Wirthshause während des Mittagsessens. Sie spielten auf der Harfe, Violin und dem Waldhorn verschiedene Menuetten und Polonaisen, welche an sich sehr schön waren, obgleich ihr Vortrag ihnen keine neue Schönheiten gab. Vielleicht wird man sich darüber wundern, daß diese Hauptstadt eines so musikalischen Reichs, wo das Genie jedes Einwohners sich frey üben kann, nicht mehr grosse Tonkünstler habe. Die Ursache davon ist nicht schwer zu finden, wenn man bedenkt, daß Musik eine von den Künsten des Friedens, der Muse und des Ueberflusses sey; und wenn nach Rousseau’s Meynung, die Künste bloß in den verderbtesten Zeiten geblühet haben, so muß in diesen Zeiten doch wenigstens Ruhe und Wohlstand geherrscht haben. Nun aber haben die Böhmen nie eine langwierige Ruhe genossen, und selbst in den kurzen Zwischenzeiten des Friedens, lebte ihr hoher Adel selten in ihrer Hauptstadt, sondern folgte dem Hofe nach Wien: