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Bundesgerichtshof: Bundesgerichtshof - Friesenhaus

BGB-RGRK, 12. Aufl. 1979, § 1004 Rdn. 27 und 144; Kübler, Festschrift Baur, 1981, S. 51, 60; Dehner, Nachbarrecht im Bundesgebiet, 6. Aufl. 1982, § 38 I 1 e; Medicus in MünchKomm, BGB, 2. Aufl. 1986, § 1004 Rdn. 27; Palandt/Bassenge, BGB, 48. Aufl. 1989, § 1004 Anm. 2 a aa; differenzierend Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl. 1978, § 1004 Anm. 24; Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl. 1981, § 1004 Rdn. 13; Gerauer, GRUR 1988, 672, 673; anderer Ansicht KG OLGE 20 (1909), 402, 403).

Bei der Frage, ob das in Rede stehende Fotografieren als Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB anzusehen ist, ist auf den Begriff und Inhalt des Eigentums zurückzugehen. Der Eigentumsbegriff wird (mittelbar) durch § 903 BGB dahin umschrieben, daß der Eigentumer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Diese Zuordnung positiver und negativer Befugnisse bringt zum Ausdruck, daß das Eigentum als das umfassendste Herrschaftsrecht zu begreifen ist, das die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt (vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., § 51 II; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 24 I 1). Dieses Herrschaftsrecht schließt die rechtliche Verfügungsmacht und die sich insbesondere im Besitzen und Benutzen äußernde tatsächliche Herrschaft ein (vgl. BGH GRUR 1975, 500, 501 - Schloß Tegel). In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß der Fotografiervorgang als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt läßt. Eines Rückgriffs auf § 59 UrhG, wie ihn das Berufungsgericht vorgenommen hat, bedarf es insoweit nicht. Es fehlt aber auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen (vgl. BGHZ 55, 153, 159; BGH, Urt. v. 21.6.1977 - VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264, 2265). Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird (vgl. auch BGHZ 63, 203, 206). Darum geht es beim Fotografieren eines Hauses von einer allgemein zugänglichen Stelle aus nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz.

Eine andere Auffassung würde auf die Anerkennung eines Ausschließlichkeitsrechts an dem in der Sache verkörperten immateriellen Gut hinauslaufen und damit den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Eigentum an einer körperlichen Sache und dem Urheberrecht als Immaterialgüterrecht verkennen. Beide haben eine unterschiedliche Schutzrichtung und einen verschiedenen Inhalt. Die bürgerlich-rechtliche Besitz- und Eigentumsordnung dient dem Schutz der Sachherrschaft über die körperliche Sache, während Gegenstand des Urheberrechts das unkörperliche, geistige Werk ist (vgl. BGHZ 44, 288, 293 f - Apfel-Madonna). Dementsprechend ist die (tatsächliche und rechtliche) Sachherrschaft des Eigentümers über die konkrete Sache von der dem Urheber vorbehaltenen Werkverwertung in den Verwertungsformen der §§ 15 ff UrhG zu trennen. Die äußere, wertfreie Sachgestaltung, die nicht nur durch den Anblick des körperlichen Gegenstandes, sondern auch durch sein Abbild vermittelt wird, wird vom Eigentumsrecht nicht erfaßt; ist sie das Ergebnis einer geistigen Schöpfung, so unterfällt sie ausschließlich den dem Urheber zugewiesenen Befugnissen (vgl. Kübler aaO. S. 59). Die Abbildung einer Sache stellt sich dann als eine Vervielfältigung des immateriellen, geistigen Werkes dar; sie unterfällt dem urheberrechtlichen Verwertungsrecht. Die Zubilligung eines entsprechenden Ausschließlichkeitsrechts zugunsten des Sacheigentümers würde dem Wesen des Urheberrechts und seiner Abgrenzung gegenüber der sachenrechtlichen Eigentumsordnung zuwiderlaufen. Die Regelung der Abbildungsfreiheit für die an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindlichen Bauwerke in § 59 UrhG (früher § 20 KUG) läßt erkennen, daß dem Gesetzgeber des UrhG - und vor ihm dem des KUG - selbstverständlich war, daß dem Eigentümer kein Nutzungs- und Verbietungsrecht zusteht. Andernfalls wäre es unverständlich, daß er die Abbildungen von Bauwerken urheberrechtlich freigibt, wenn sie gleichwohl aus dem Eigentumsrecht bürgerlich-rechtlich zu untersagen wären.

Empfohlene Zitierweise:
Bundesgerichtshof: Bundesgerichtshof - Friesenhaus. Amtliches Werk, Bremen 1989, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bundesgerichtshof_-_Friesenhaus.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)