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Und ein solches Volk waren die Engländer des Alterthums, die kaufmännischen Phönizier. Als (stammverwandte?) Nachbaren der Aegypter im engsten Verkehr mit dem Pharaonen-Volke stehend, war ihnen der Weg zur Kenntniß des ägyptischen Schriftsystems erschlossen oder wenigstens zugänglich geworden. Die große, beinahe unbewußt vollzogene Eroberung des Menschengeistes, der im fernen Nilthale nach langer Arbeit bis zur Erkenntniß der einfachen Buchstabenwerthe vorgedrungen war, aber in seltenem starren Festhalten an dem Althergebrachten in der Anwendung derselben nicht zum vollen Durchbruch zu gelangen wußte, ich sage diese Eroberung machten sich die phönizischen Männer zu Nutze.

Sie entlehnten dem altägyptischen Schriftsystem die Buchstabenzeichen, adoptirten die einfachen Züge derselben, wie sie sich als Bücherschrift, eine Art von Abkürzung der monumentalen Schriftzeichen, in den ägyptischen Papyrusrollen zeigt, und wendeten sie praktisch zum schriftlichen Ausdruck ihrer eigenen Sprache an.[1]

Der Erfolg war ein Weltereigniß. Denn die „phönizischen Zeichen“ wurden das gemeinsame Band, das viele Völker umschlang und eine ungeahnte Bewegung in dem Culturleben der alten Welt hervorrief. Die Völker der Küstenländer des Mittelmeeres, vor allen der hellenische Stamm, machten sich die neuen Wunderzeichen zu eigen, die von nun an eine Wanderung durch Räume und Zeit anstellten, deren Züge bis auf den heutigen Tag unaufhaltsam vorwärts streben. Vorläufer aller Cultur, dringen sie in die fernsten Winkel der Erde, Licht und Helle verbreitend, Träger des Geistes, Sitten veredelnd, überall herrschend und doch so dienstbar dem Menschen und seinen Zwecken. Diese Buchstabenschrift wurde, nach den schönen Worten Alexander von Humboldt’s, die Trägerin

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Anmerkungen

  1. [31] Dieser Nachweis gebührt dem um die Wissenschaft hochverdienten französischen Akademiker Vic. E. de Rougé.
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Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)