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Und weint nicht aus allen Küsten des Kosmos

                    Der Wahnsinn der Hände, die vergeblich sich recken,
               Der Puls der Herzen getrennt durch Unendlichkeiten?
Überall donnern deine verzehrenden, abgründigen Ströme,
               Sie kochen in Stein, im Blut, im Gedanken,

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Die Wolken der Dinge gießt der ewige Wind in unzählige Formen

Und eine Stelle hat niemand berührt mit der Hand oder mit dem Gedanken
                              Zweimal.

               Und unser eignes rätselhaftes Wesen!
               Am Scheiterhaufen seine Psalmen singend

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                    Im scharlach’nen Mantel der Flammen!

Mit leichtem Sinn, wie das Bild der Unendlichkeit im Auge,
               Die Bürde geheimnisvoller Schuld tragend,
                         Den tragischen Traum dieses Weltalls!
In feurigen Strähnen, im schillernden Wechsel des Faltenwurfs,

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Die ihm ins Antlitz peitschen, von deinem Wind gebläht,

Und das Weltall ihm weisen durch Flammen wie durch einen Schleier,
                    Im verhohlenen Zittern steht es aufgerichtet.
               Und freudetrunken, wie in Wahnsinnslust,
               Dem Tode tausendfach blickt es ins ironische Gesicht,

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Aus allen schwarzen Händen nimmt den Becher der Haluzinationen

               Und zutrinkend extatisch jedem Lebenstrieb,
                    Der Sonne, Harmonie und Hoffnungen,
                    Bis an den Grund in düst’rer Wollust trinkt
Und gierig streckt die Hand, nach neuem, immer neuem,

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               Von Äonen zu Äonen, ungesättigt,

          Die Lippen von des Durstes Glut in eins mit dem Becher geschweißt,
                    Bei jedem Wegreißen des eisigen Metalls
                              Blutend!

     Unsere Tage sind getrennt durch Nächte,

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Doch unsere Nächte berühren wie die Wellen

                         Alle Nächte des Kosmos;
               Unser Begegnen ist ein Fernsein
                    Und Fernsein ist unsere Begegnung.
Ob nah, ob fern, ein gleicher Schmerz uns quält,

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               Deß höchster Aufschrei heißt

                              Schweigen. –

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Otokar Březina: Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde48.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)